Z Gastroenterol 2012; 50 - K309
DOI: 10.1055/s-0032-1324244

Single-Port-Access-Appendektomie – zukünftiger Standard oder überschätzt? Ergebnisse von 370 Patienten, die im Zeitraum 06/2009 bis 02/2012 bei uns operiert wurden

J Mehler 1, H Kern 2, M Wagner 2, MH Schoenberg 2, A Hapfelmeier 3
  • 1Rotkreuzklinikum München, Abteilung für Chirurgie, Munich, Germany
  • 2Rotkreuzklinikum München, Abteilung für Allgemeine- und Viszeralchirurgie, Munich, Germany
  • 3Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München, Institut für medizinische Statistik und Epidemiologie, Munich, Germany

Hintergrund: Nach Einführung der laparoskopischen Operationstechnik mit mehreren Trokaren Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts fand diese sehr rasch weite Verbreitung und ist mittlerweile bei vielen Indikationen als Standard anzusehen. Seit einigen Jahren gibt es nun Bestrebungen das Zugangstrauma weiter zu minimieren. Neben der Notes-Technik, die bisher keine breite klinische Verwendung findet, hat sich nun auch die Single-Port-Access-Technik etabliert. Außer einem kosmetischen Vorteil des einzigen Zuganges durch den Nabel („narbenlose Chirurgie“) werden durch das minimierte Zugangstrauma geringere Liegezeiten und höherer Patientenkomfort postuliert. Wir haben seit der Einführung der Single-Port-Access-Technik in unserem Hause begonnen die Patienten prospektiv zu erfassen und mit Patienten, die konventionell laparoskopisch operiert wurden zu vergleichen. Dass die SPA-Appendektomie als Ausbildungseingriff gelten kann, konnten wir in früheren Untersuchungen zeigen, aber wird die SPA-Technik die konventionelle Laparoskopie bei der Appendektomie als Standard verdrängen? Oder werden die Vorteile dieser relativ neuen Methode überschätzt? Eine Aufarbeitung unserer Daten soll helfen diese Frage zu beantworten.

Material und Methodik: Insgesamt erfolgten zw. Juni 2009 und Februar 2012 370 Appendektomien in unserer Abteilung, sechs Patienten wurden offen operiert. Die u.g. Einschlusskriterien (Tab.1) erfüllten insgesamt 348 Patienten. Von dieser „Studienpopulation“ wurden 95 Patienten in SPA-Technik operiert. Die prospektive Datenerhebung bei Studienpatienten schließt demografische Daten, Operateur, Operationszeit, zusätzliche Hilfsmittel, Verweildauer und Komplikationen ein. Weiterhin wurde eine Nachuntersuchung bezüglich Narbenhernien per Telefoninterview durchgeführt, eine Ermittlung der Lebensqualität mittels EQ-5D Fragebogen mehr als 6 Monate nach der Operation ist bisher noch ausstehend, aber folgt in Kürze.

Ergebnisse:

a) Patientendaten (Alter, Geschlecht, BMI, ASA) (Tab.2): In 32 Monaten konnten insgesamt 348 Patienten mit laparoskopischer Appendektomie eingeschlossen werden. 95 Patienten (28,7%) wurden in der SPA-Technik operiert. Das mediane Alter der Patienten in der SPA-Gruppe betrug 23 (±9,4) Jahre, in der Multiport-Gruppe 30 (±12,6) Jahre. Der BMI betrug im Median 23 (±8,9) in der SPA-Gruppe und 24 (±4,1) in der Multiport-Gruppe. In der SPA-Gruppe betrug das Verhältnis Frauen/Männer 2:1 in der Multiport-Gruppe zeigte sich ein ausgeglichenes Verhältnis. 96% aller SPA-Patienten wurden als ASA I klassifiziert, in der konventionell laparoskopischen Gruppe betrug der Anteil 70%.

Es zeigte sich also ein Trend zu jüngeren, gesunden, schlanken und weiblichen Patienten, dies stellt auch die primäre Zielgruppe für die narbenlose Chirurgie dar.

b) Operationsdauer, Operateure, intraoperativer Befund und Komplikationen:

Bezüglich Operationsdauer, Operateuren und intraoperativem Befund zeigten sich keine signifikanten Unterschiede: Eine klassische Lernkurve ergab sich nicht. Dies erklärt sich durch die Vielzahl der Operateure (11 verschiedene Ärzte, davon 7 Ass Ärzte, teilweise im 1. Weiterbildungsjahr) und durch das rasche Einschließen schwererer Befunde.

c) Konversionsrate, Komplikationen:

Bei 3 Patient (=Konversionsrate SPA 3,2%) der SPA-Gruppe wurde auf das konventionell laparoskopische Vorgehen umgestiegen, 1x musste ein Zusatztrokar verwendet werden (1%), weitere Konversionen zum offenen Vorgehen gab es nicht. In der Gruppe der konventionell laparoskopisch operierten Patienten wurde 2x auf das offene Verfahren konvertiert (Konversionsrate Lap 0,4%), bei 7 Patienten dieser Gruppe wurde eine second-look Laparoskopie durchgeführt (2,8%). Bezüglich Komplikationen zeigte sich in der SPA-Gruppe eine (1%) Nachblutung (Grad II) und ein Wundinfekt (Grad I) (1%), bei den eingeschlossenen Multiport-Patienten gab es einen Platzbauch (0,4%).

d) Liegezeiten, kosmetisches Ergebnis, Lebensqualität:

Die Krankenhausliegezeit war in der SPA-Gruppe gleich wie in der Multiport-Gruppe. Narbenhernien traten in der SPA-Gruppe in einem Fall auf, in der Multiport-Gruppe wurden bisher keine Narbenhernien erfasst. Die kosmetischen Ergebnisse der SPA-Gruppe waren durchweg sehr gut bis gut. Auswertungen der EQ5D-Fragebogen zur Lebensqualität folgen in Kürze.

Zusammenfassung: Bisher konnte durch unsere Daten nur gezeigt werden, dass die SPA-Appendektomie bei gleicher Sicherheit für den Patienten auch als Ausbildungseingriff durchgeführt werden kann. Die auch in der Literatur immer wieder postulierten Vorteile des SPA-Eingriffs erwiesen sich in unserem Kollektiv bisher als nicht signifikant. Bei derzeit noch deutlich erhöhten Kosten des Eingriffs kann von einer Verdrängung der konventionellen Laparoskopie bei Appendektomien aktuell nicht ausgegangen werden. Bezüglich Patientenzufriedenheit und patience preference kann derzeit noch keine Aussage getroffen werden. (Auswertung läuft und ist bis zum Kongress vorliegend). Weitere Studien und Untersuchungen sollten erfolgen.