Frauenheilkunde up2date 2014; 8(1): 61-80
DOI: 10.1055/s-0032-1324989
Geburtshilfe und Perinatalmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mütterliche Notfälle während der Schwangerschaft

Mod. nach Erstpublikation Notfallmedizin up2date 7; 2012: 73–88
Alexander Strauss
,
Lea Sanders
,
Ibrahim Alkatout
,
Ivo Meinhold-Heerlein
,
Jan-Thorsten Gräsner
,
Carolin Strauss
Further Information

Publication History

Publication Date:
28 February 2014 (online)

Einleitung

Bei Notfallsituationen während der Schwangerschaft und der Geburt gilt die ärztliche Sorge 2 Patienten gleichzeitig, nämlich Mutter und Kind. Insgesamt sind geburtshilfliche Notfälle selten, sodass präklinisch tätigen Kollegen im Rettungsdienst häufig die tägliche Routine mit gynäkologischen und geburtshilflichen Notfallsituationen fehlt. Zur sicheren Einschätzung der präklinischen Situation ist es daher sinnvoll, die physiologischen Veränderungen während einer normalen Schwangerschaft zu kennen, um die Befunde korrekt einschätzen zu können. Bereits im 1. Trimenon kommt es zu diversen Anpassungsvorgängen des mütterlichen Organismus an die gesteigerten Bedürfnisse in der Schwangerschaft (Tab. [1]).

Tabelle 1 Physiologische Veränderungen während der Schwangerschaft.

Parameter

Veränderung

Herz-Kreislauf-System

  • Herzfrequenz

  • Blutdruck

  • Blutvolumen

  • Plasmavolumen

  • Herzzeitvolumen

  • ↑ 15 %

  • ↓ 4–15 %

  • ↑ 25–40 %

  • ↑ 40–50 %

  • ↑ 30–50 %

Blutgerinnung

  • Fibrinogen

  • ↑ 50 %

Atmung

  • Atemfrequenz

  • alveoläre Ventilation

  • Atemzugvolumen

  • Atem-Minuten-Volumen

  • funktionelle Residualkapazität

  • thorakale Compliance

  • Sauerstoffverbrauch

  • paO2

  • paCO2

  • Hypokapnie

  • ↑ 15 %

  • ↑ 70 %

  • ↑ 40 %

  • ↑ 50 %

  • ↓ 20 %

  • ↓ 10 %

  • ↑ 20 %

  • ↑ 10 mmHg

  • ↓ 10 mmHg

  • bis 32 mmHg

Notfallmedizinisch besonders bedeutsam sind schwangerschaftsbedingte Veränderungen des pulmonalen Gasaustauschs, des Herz-Kreislauf-Systems und der Blutgerinnung.

Grundsätzlich unterscheidet man schwangerschaftsbedingte Notfälle (e graviditate) von solchen, die sich zwar während der Schwangerschaft ereignen, von ihr ätiologisch aber unabhängig sind (in graviditate). Darüber hinaus ist präklinisch zwischen Krankentransporten zur ambulanten Diagnostik oder stationären Therapie und lebensbedrohlichen Notfällen, die eine notärztliche Versorgung vor Ort erfordern zu unterscheiden.