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DOI: 10.1055/s-0032-1325557
Nachruf Professor Dr. med. Max Michel Forell
(* 27.9.1916, † 11.8.2012)
Publication History
Publication Date:
13 November 2012 (online)
Prof. Dr. med. Max Michel Forell starb am 11.8.2012 im 96. Lebensjahr in München. Er wurde am 16.8.2012 im Familiengrab auf dem Friedhof der barocken Pfarrkirche St. Georg in München-Bogenhausen beigesetzt, auf dem viele bedeutende Münchner Persönlichkeiten des kulturellen Lebens zur letzten Ruhe gebettet wurden.
Max Michel Forell wurde am 27.9.1916 als ältestes von drei Kindern des in München sehr angesehenen Kinderarztes Dr. Alfred Forell und seiner Ehefrau Agnes, geb. Oster, geboren. Nach prägender Schulzeit in dem von dem Reformpädagogen Kurt Hahn gegründeten und geleiteten humanistischen Gymnasium Schloss Salem sowie seinem anschließenden Arbeits- und Militärdienst studierte er ab 1938 Medizin in München und Freiburg. Trotz Unterbrechungen durch Kriegseinsätze legte er 1942 in München sein Staatsexamen ab und promovierte im gleichen Jahr mit dem Thema „Über die Entstehungsursachen der spontanen Magenruptur“. Bis zum Kriegsende arbeitete er im Sanitätsdienst der Wehrmacht.
Seine Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin begann er im Januar 1946 als Voluntärassistent bei Prof. Dr. A. E. Lampé in der I. Medizinischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), die er für je ein Jahr bei Prof. Dr. F. Hoff in der Inneren Abteilung der Städtischen Krankenanstalten Aachen und bei Prof. Dr. W. Löffler in der Medizinischen Universitätsklinik Zürich fortsetzte. 1951 kehrte er in die I. Medizinische Klinik (Direktor: Prof. Dr. K. Bingold) nach München zurück und begann seine experimentellen Forschungen über das Kallikrein-Kinin-System im Klinisch-Chemischen Institut der Chirurgischen Universitätsklinik München; dieses Institut wurde von dem Physiologen Prof. Dr. H. Kraut und dem Chemiker Prof. Dr. E. Werle geleitet. Forell habilitierte 1954 mit der Arbeit „Über die Bedeutung und den Einfluß des Trypsins auf die Entstehung und den Verlauf von Pankreaserkrankungen“ an der LMU München, die ihn zum Privat-Dozenten ernannte. 1955 hospitierte er sechs Monate als Research Fellow bei den renommierten Pankreatologen Professor Dr. David Dreiling und Professor Dr. Henry Janowitz am Mount Sinai Hospital, New York, und bei dem Pionier der zystischen Fibrose-Forschung, Professor Dr. Harry Shwachman, am Children‘s Hospital Boston der Harvard University. In beiden Institutionen erhielt er wichtige Anregungen für seine spätere klinische Forschung.
Nach dem 1955 erfolgten Wechsel an die II. Medizinische Klinik der LMU (Direktor: Prof. Dr. Dr. G. Bodechtel) begann er, eine gastroenterologische Abteilung mit breitem diagnostischem und therapeutischem Spektrum zu einem leistungsstarken Zweig der Klinik aufzubauen. Er leitete diese Abteilung über 25 Jahre bis zu seiner Pensionierung. 1961 erfolgte seine Ernennung zum apl. Professor, später zum Leitenden Oberarzt der Klinik. Nach der Emeritierung von Professor Bodechtel war er von 1969 – 1971 kommissarischer Direktor der II. Medizinischen Klinik, die 1976 in Medizinische Klinik Innenstadt der LMU München umbenannt wurde. Nach Erreichen seines 65. Lebensjahres hielt er am 7.12.1981 seine Abschiedsvorlesung zum Thema „Wandel in Diagnostik und Therapie der Pankreatitis“. Im Mai 1982 verließ er die Klinik und widmete sich bis ins hohe Alter seinen vielseitigen Aufgaben und Interessen, vor allem an bildender Kunst.
Professor Forell war ein national und international anerkannter Pankreatologe, der eine Vielzahl von Originalarbeiten veröffentlichte und 1975 den Band „Pankreas“ in einer völlig neu bearbeiteten und erweiterten Auflage im „Handbuch der Inneren Medizin“ herausgab. Mit seinen Mitarbeitern setzte er sich für die Standardisierung des Secretin-Cholecystokinin-Tests zur Pankreasfunktionsdiagnostik beim Menschen ein. Professor Forell erkannte und untersuchte intensiv die Bedeutung der Galle als endogenem Stimulus der Enzymsekretion des humanen Pankreas. 1969/1970 studierte und charakterisierte er mit seinen Mitarbeitern Peter Lehnert und Horst Stahlheber die Kinetik der exokrinen Pankreassekretion, unter deren Verwendung sie erstmals indirekt die biologischen Halbwertszeiten von Secretin und Cholecystokinin beim Hund bestimmten; letztere wurden erst einige Jahre später radioimmunologisch messbar. Diese sekretionsphysiologischen Untersuchungen wurden am isoliert perfundierten Hundepankreas experimentell ergänzt und dabei die Bedeutung der „second messenger“ cAMP und cGMP für die hormonelle Stimulation der Pankreassekretion untersucht. 1974 beschäftigte sich die Gruppe mit der Bedeutung der renalen Elimination von gastrointestinalen Peptidhormonen. Zwischen 1978 und 1982 wurden gemeinsam mit der Arbeitsgruppe um Professor Wünsch Studien zu Struktur-Wirkungsbeziehungen von Secretin und zur Interaktion zwischen Secretin, seinen Analoga und VIP publiziert. Das Team um Professor Forell erkannte sehr frühzeitig die Möglichkeiten der rechnergestützten Datenverarbeitung für die Pankreasfunktionsdiagnostik. Mithilfe aufwendiger Multivarianzanalysen ließen sich Pankreaserkrankungen früher und mit größerer Sicherheit diagnostizieren.
Die Arbeitsgruppe wurde nach der weltweit ersten Einführung des NdYag-Lasers durch Peter Kiefhaber zur endoskopischen Stillung gastrointestinaler Blutungen und zur palliativen Tumordestruktion beim Menschen bekannt. In diesem Zusammenhang war nahe liegend, dass sich andere Mitarbeiter mit Messmethoden der Magensäuresekretion beim Menschen befassten und medikamentöse Kombinationen zur möglichst kompletten Säuresuppression für eine pharmakologische Prävention von Stressblutungen und zur Prophylaxe von Rezidivblutungen, z. B. nach Lasertherapie entwickelten.
Max Michel Forell war in erster Linie ein einfühlsamer Arzt. Die Betreuung von Patienten stand für ihn im Vordergrund. Wegen seiner kompetenten und fürsorglichen Zuwendung haben ihn seine Patienten sehr geschätzt. Für seine Schüler und seine Studenten war er ein motivierendes Vorbild. Aber Medizin , Wissenschaft, Lehre und akademische Karriere waren für ihn nicht alles. So war er über viele Jahre in mehreren Aufsichtsräten deutscher Konzerne tätig. Er liebte seine ihm wichtige Unabhängigkeit, war bis ins hohe Alter ungewöhnlich vielseitig interessiert, reiselustig und ein sehr kunstliebender, äußerst sachverständiger und ambitionierter Kunstsammler – mit Leihgaben in diversen Museen. Bei unseren abteilungsinternen Festen war er ein perfekter Gastgeber; letzteres bewies er nochmals mit seiner Einladung zu einer mehrstündigen, stimmungsvollen Feier anlässlich seines 90. Geburtstags, den er in uneingeschränkt erscheinender körperlicher und geistiger Frische mit uns feierte.
Max Michel Forell war seit 1946 mit Gitta, geb. Frey, verw. Lüps verheiratet, die nur wenige Wochen vor ihm verstarb. Frau Forell hatte aus ihrer Ehe die beiden Töchter Antje und Nanette und mit Max Michel Forell die Töchter Christiane und Janina. Ihre Töchter schenkten ihnen 10 Enkel und 13 Urenkel.
Für seine klinischen und wissenschaftlichen Mitarbeiter war Professor Max Michel Forell stets ein wichtiger Impulsgeber und stimulierender Mentor. Sein Führungsstil machte ihn besonders liebens- und bewundernswert. Wir, seine Mitarbeiter, schätzten seinen ungewöhnlich väterlich-freundschaftlichen Umgang mit uns, der seine Autorität nie schmälerte. Zu seinem liberalen Teamverständnis gehörte es, seinen Schülern weitgehende Freiheit bei der Wahl und Bearbeitung ihrer Forschungsprojekte zu lassen. Wir werden die feinsinnige, vornehme Großzügigkeit und die äußerst wohltuende Menschlichkeit von Professor Forell nicht vergessen. Er wird uns allen immer in dankbarer Erinnerung bleiben – als ein überaus exakter Forscher, als ein ausgesprochen fürsorglicher Arzt und als ein besonders liebenswerter Mensch.
Für die Mitglieder der ehemaligen Forell‘schen Arbeitsgruppe:
Michael Otte, Hamburg
Walter Londong, Wildau
Johannes Teufel, Pfaffenhofen