
Zusammenfassung
Sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen stehen im Mittelpunkt zahlreicher Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention. Dass diese Maßnahmen wissenschaftlich fundiert sein sollen, steht außer Frage. Jedoch sind die Kriterien der Evidenzbasierten Medizin (EbM) in diesem Kontext nur begrenzt anwendbar. Es hat sich in den letzten Jahren eine breite Debatte zur Wirkungsforschung im Gesundheitswesen – vor allem in Bezug auf soziale Interventionen – entfacht. Ein Strang dieser Debatte bezieht sich auf das Potenzial, Nachweise nicht nur unter wissenschaftlichen Bedingungen, sondern auch direkt aus der Praxiserfahrung heraus systematisch zu erzeugen. Dadurch soll „Praxisbasierte Evidenz“ (PbE) generiert werden. Impliziert ist eine methodische und erkenntnistheoretische Vielfalt. Im Gegensatz zu anderen Alternativen oder Ergänzungen zur experimentellen Wirkungsforschung übernehmen hier jedoch die Praktiker/innen und nicht die Wissenschaftler/innen die zentrale Rolle bei der Generierung und Beurteilung von Evidenzen. Bisher ist PbE nur ein gedankliches Gerüst, das mit methodischen und theoretischen Inhalten gefüllt werden will. Ausgehend von der Forschungsarbeit der Autoren wird im Folgenden PbE definiert und ein Konzept für deren Umsetzung vorgestellt, das im Rahmen künftiger Forschungsarbeiten weiter elaboriert werden soll. Im Mittelpunkt steht der „Evidenz-Zyklus“, in dessen Rahmen Wirksamkeitsnachweise aus lokalen Projekten zusammengeführt werden, um eine empirische Basis für die kontinuierliche Weiterentwicklung der Good-Practice-Kriterien in der Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten zu schaffen. Auf diesem Weg sollen aus lokalen Erklärungsmustern (lokalen Theorien) und Ergebnissen lokaler Evaluationsprozesse (lokalen Evidenzen) generalisierbare Aussagen für die Verbesserung der Gesundheitsförderung und Prävention formuliert werden können.
Abstract
In recent years numerous health promotion and prevention efforts have been created for socially disadvantaged communities. There is a broad consensus that such measures should be scientifically sound; however, the criteria for evidence-based medicine (EBM) have been shown to have limited applicability in this area. It is widely debated which scientific approaches are most appropriate. Several authors have called for the production of “practice-based evidence”(PBE) as an alternative, focusing on ways to produce evidence based directly on practical experience. Implied is a variety of methodological and epistemological approaches for generating knowledge about the effectiveness of interventions. In contrast to the usual means of generating evidence, PBE suggests that practitioners instead of researchers take on the leading role in the generation and interpretation of intervention data. To date, PBE is an idea in need of further definition, both in terms of theory and practice. On the basis of recent research the authors present a definition for PBE and a model for how it could be generated. The authors propose an “Evidence Cycle” which would synthesize the findings from local evaluations for the purpose of generating practice guidelines (Good Practice Criteria) which can be developed in an ongoing way as new data becomes available. In this way local theories of disease causation and development and local evidence for intervention effectiveness could be drawn together to produce empirically-based, generalizable statements about effective health promotion and prevention for disadvantaged communities.
Schlüsselwörter
praxisbasierte Evidenz - Gesundheitsförderung - Prävention - Qualitätsentwicklung
Key words
practice-based evidence - health promotion - prevention - quality development