Zusammenfassung
Erbliche Netzhautdystrophien sind sowohl klinisch als auch genetisch höchst heterogen.
Sie können aufgrund des klinischen Bildes und Verlaufs, sowie anhand des zugrunde
liegenden Erbgangs unterteilt werden. Sowohl isolierte Netzhautdystrophien (z. B.
Retinitis pigmentosa, Leberʼsche kongenitale Amaurose, Zapfen- und
Zapfen-Stäbchen-Dystrophien, Makuladystrophien, Achromatopsie, kongenitale stationäre
Nachtblindheit) als auch syndromale Erkrankungen (z. B. Morbus Usher,
Bardet-Biedl-Syndrom) werden unterschieden. Bis heute wurden fast 180 Gene und Tausende
unterschiedliche Mutationen identifiziert, die für die verschiedenen Formen
verantwortlich sind. Bis vor Kurzem war kein ausreichendes Angebot für
diagnostisch-genetische Untersuchungen vorhanden. Durch die Entwicklung der
Next-Generation-Sequencing-Technologie kann nun eine umfassende genetische Untersuchung
aller bis heute bekannten Gene für erbliche Netzhautdystrophien, zu vergleichbar
niedrigen Kosten und in einem überschaubaren Untersuchungszeitraum, angeboten werden.
Aufgrund der klinischen Diagnose und des mutmaßlich vorliegenden Erbgangs besteht die
Möglichkeit, zwischen verschiedenen Diagnostik-Panels zu wählen. Die Statistik zeigt,
dass abhängig von der initialen klinischen Diagnose bei 55–80 % aller Fälle die
genetische Ursache der erblichen Netzhautdystrophien durch die hier beschriebene
Untersuchungsstrategie identifiziert werden kann. Das Ziel der genetischen Diagnostik
ist es, die genetische Ursache einer Erkrankung innerhalb der betroffenen Familien
aufzuklären und damit i) die klinische Diagnose zu sichern, ii) eine zielgerichtete
Untersuchung in weiteren Familienmitgliedern anbieten zu können, iii) therapeutische
Intervention zu ermöglichen, iv) eine prognostische Abschätzung des Krankheitsverlaufs
zu geben und v) langfristig die Grundlage für neue therapeutische Ansätze und eine
personalisierte Medizin zu legen.
Abstract
Inherited retinal dystrophies are clinically and genetically highly heterogeneous. They
can be divided according to the clinical phenotype and course of the disease, as well as
the underlying mode of inheritance. Isolated retinal dystrophies (i.e., retinitis
pigmentosa, Leberʼs congenital amaurosis, cone and cone-rod dystrophy, macular
dystrophy, achromatopsia, congenital stationary nightblindness) and syndromal forms
(i.e., Usher syndrome, Bardet-Biedl syndrome) can be differentiated. To date almost 180
genes and thousands of distinct mutations have been identified that are responsible for
the different forms of these blinding illnesses. Until recently, there was no adequate
diagnostic genetic testing available. With the development of the next generation
sequencing technologies, a comprehensive genetic screening analysis for all known genes
for inherited retinal dystrophies has been established at reasonable costs and in
appropriate turn-around times. Depending on the primary clinical diagnosis and the
presumed mode of inheritance, different diagnostic panels can be chosen for genetic
testing. Statistics show that in 55–80 % of the cases the genetic defect of the
inherited retinal dystrophy can be identified with this approach, depending on the
initial clinical diagnosis. The aim of any genetic diagnostics is to define the genetic
cause of a given illness within the affected patient and family and thereby i) confirm
the clinical diagnosis, ii) provide targeted genetic testing in family members, iii)
enable therapeutic intervention, iv) give a prognosis on disease course and progression
and v) in the long run provide the basis for novel therapeutic approaches and
personalised medicine.
Schlüsselwörter
erbliche Netzhautdystrophien - genetische Diagnostik - Next-Generation-Sequencing
Key words
inherited retinal dystrophies - genetic diagnostic testing - next generation sequencing