Z Sex Forsch 2012; 25(4): 314-338
DOI: 10.1055/s-0032-1330297
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bisexualität als Überschuss sexueller Ordnung

Eine biografieanalytische Fallstudie zur sexuellen Selbstwerdung
Eva Kemler
a   Institut für Soziologie, TU Darmstadt
,
Martina Löw
a   Institut für Soziologie, TU Darmstadt
,
Kim Ritter
a   Institut für Soziologie, TU Darmstadt
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
19. Dezember 2012 (online)

Übersicht

Aufbauend auf der Annahme einer bipolar strukturierten Ordnung des Sexuellen geht dieser Artikel der Frage nach, inwiefern bisexuell lebende Menschen diese Ordnung kreativ unterwandern und welche Verschiebungen oder Stabilisierungen der Ordnung dadurch provoziert werden. Die Beantwortung dieser Frage erfolgt durch die Rekonstruktion dreier Biografien bisexuell lebender Menschen, da es hierdurch möglich wird nachzuvollziehen, wie diese ihre Bisexualität – als Begehren, Praxis und/oder sexuelle Selbstbeschreibung – im biografischen Prozess ihrer sexuellen Selbstwerdung unter den Bedingungen einer bipolar strukturierten sexuellen Ordnung verarbeiten. Dabei zeigt sich, dass Bisexualität in allen Fällen als erweiterte Natur des Körpers biografisiert wird. Als solche wird sie zur Herausforderung oder Chance, neben der Beibehaltung einer heterosexuellen normativen (Beziehungs-)Struktur eine Sonderzone für gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte zu etablieren. Somit stellt die bipolare sexuelle Ordnung die Basis einer bisexuellen Positionierung dar, wodurch sie einen gewissen Grad an Stabilisierung erfährt. Gleichzeitig erweist sie sich als nicht ausreichend und wird durch die doxische Gewissheit einer bisexuellen Natur erweitert.