B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2013; 29(2): 43
DOI: 10.1055/s-0032-1331100
Editorial
Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Editorial

Klaus Schüle
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Publikationsdatum:
19. April 2013 (online)

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Liebe Leserinnen und Leser!

Zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) gehören die 3 Säulen

  1. Arbeitsschutz,

  2. betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) und

  3. betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM).

Die Reihenfolge dieser zur „Prävention“ zählenden Maßnahmen ergibt sich aus ihrer Genese, die jeweils auch in entsprechende Gesetze eingeflossen sind.

So schlägt sich der Arbeitsschutz im „Arbeitschutzgesetz“ (ArbSchG) vom August 1996 (mit Aktualisierungen im Jahr 2009) als „Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit“ nieder. Gefordert sind hier vor allem die Berufsgenossenschaften (BG) als Unfallversicherer auf der einen, Betriebs- und Arbeitsmediziner auf der anderen Seite. Da solcherlei Maßnahmen als primäre Aufgabe der Verhältnisprävention dienen, wurden schon frühzeitig Krankenkassen und BG zu einer engeren Zusammenarbeit aufgefordert. Mir sind allerdings bis heute noch keine wirklichen Ergebnisse einer solchen Zusammenarbeit bekannt geworden!

Den Bewegungsfachleuten ist die betriebliche Gesundheitsförderung weit geläufiger, geht es hier doch um Präventionsmaßnahmen des einzelnen Mitarbeiters im Sinne der Verhaltensprävention und deren Einwirkung auf die gesamte Persönlichkeit mit dem Ziel, einen „gesunden“ Lebensstil zu erreichen. Und wo könnte man hier besser als im „Setting Betrieb“ eine Initialzündung „abbrennen“?

Interessant ist, dass es derzeitig zu einer scheinbaren Wiederentdeckung dieser bereits in den 80er Jahren vom DVGS sogar mit einer eigenen Sektion „Gesundheitsförderung im Alltag und Beruf“ bedachten Arbeitsgruppe und neben Institutionen der Krankenkassen selbst (vergl. BGF-Institut der AOK in Köln) zu einem Anwachsen von Fortbildungseinrichtungen für unterschiedlichste Berufsgruppen kommt. Ausgelöst wurde das „neue“ Interesse durch die inzwischen spürbaren Auswirkungen des demografischen Wandels (u. a. Älterwerden der Belegschaft), der steigenden physischen und psychischen Belastung am Arbeitsplatz als Folge einer Arbeitsverdichtung.

Um solchen Auswirkungen entgegenzuwirken, wurden mit dem § 20 SGB V 1989 die Grundsätze der betrieblichen Gesundheitsförderung fixiert und durch eine Vielzahl von Aktivitäten (u. a. Umgang mit Stress, Entspannungskurse, Rückenprogramme, Fitnesskurse, Drogenaufklärung, Antirauch-Kampagnen etc.) versucht, gesundheitsbewusste Verhaltensweisen zu fördern.

Von der Kostenseite aus liegt eine größere Zahl von Studien vor, die allesamt zum Ergebnis kommen, dass sich BGF nicht nur zum Erhalt oder sogar Steigerung der Lebensqualität für die teilnehmenden Mitarbeiter, sondern auch finanziell für den Betrieb, im Sinne eines „Return of Investment“ (ROI), lohnt, wobei über unterschiedlich hohe Summen berichtet wird. Mehr darüber im Artikel von G. Huber auf S. 46.

Als neueste Säule sei schließlich auf das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) verwiesen, das 2004 in § 84SGB IX verankert wurde. Es ist ein Mittel der Sekundärprävention und soll bereits mit gesundheitlichen Risiken belasteten Mitarbeitern helfen, ihren Arbeitsplatz zu behalten. Wie das geschehen kann, haben M. Mozdzanowski und A. Glatz beispielhaft mit dem Profilvergleichssystem IMBA, einem bereits in der Autobranche hervorragend bewährten Instrument, dargestellt (S. 55). Für die Einbindung einer erfolgreichen Bewegungstherapie im BEM, sind allerdings bereits erfahrene Sport- und Bewegungstherapeuten vonnöten.

Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf die Präventionsstrategie der derzeitigen Regierungskoalition eingehen. Diese wurde noch kurz vor Weihnachten in einem Endpunktepapier angekündigt und im Januar 2013 als 1. Referentenentwurf vorgelegt. Wie weit dieser 1. Entwurf schließlich in ein „Gesundheitsförderungs- und Präventionsstärkungsgesetz“ einmündet, bleibt kritisch abzuwarten.

  • 200 Mill. Euro sollen jährlich mehr in die Vorbeugung fließen.

  • Die Kassen sollen pro Versichertem 6 Euro für Prävention ausgeben, davon mindesten 2 Euro für die BGF, 1 Euro für Intervention in Lebensräumen (z. B. Schulen, Kindergärten etc.). 50 Cent pro Versichertem erhält jeweils die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA).

  • Die BZGA wird zu einem „Nationalen Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung“ aufgewertet. Sie soll Präventionsprogramme koordinieren.

  • Der GKV-Spitzenverband soll einheitliche Kriterien zur Qualitätssicherung, Zertifizierung und Evaluation der Angebote erarbeiten.

Wenn man dann im vorausgegangenen Eckpunktpapier liest, dass „Prävention seit jeher eine zentrale Aufgabe ärztlichen Handelns“ sei, so fragt man sich, warum sie dann, wie im Übrigen auch die Rehabilitation, bis heute bei den Ärzten noch immer so wenig Ansehen genießt? Da lobe ich mir den alten Satz meines Lehrers Prof. Dr. Jochheim (Neurologe/Psychiater und Rehabilitationsmediziner): „Rehabilitation ist eine ärztlich-pädagogische Gemeinschaftsaufgabe!“ Dieser Satz ist gleichermaßen für die Prävention anwendbar!

In diesem Sinne,

Ihr Klaus Schüle