Balint Journal 2012; 13(04): 128
DOI: 10.1055/s-0032-1331236
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Biofeedback in der Praxis. Band 2: Erwachsene

Contributor(s):
Häfner Steffen
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Publication Date:
21 December 2012 (online)

Wie man den Körper zähmt

[1] Biofeedback zeigt, wie unser Körper auf verschiedene Situationen des täglichen Lebens, wie etwa Stress, Angst oder Freude durch Veränderung der Herzrate, Atmung, Muskelspannung, Fin­gertemperatur oder des Hautleitwerts reagiert. Durch Biofeedback wird die Selbstwahrnehmung gefördert und ein tiefes Ver­ständnis für die eigenen Reaktionsweisen und Handlungsmuster ermöglicht. Die Autorin des Buches, MMag. Ingrid Pirker-Binder, ­arbeitet als Psychotherapeutin in Wien. Ihr psychotherapeutischer Ansatz, in den sie die Biofeedbacktherapie integriert, basiert auf der Logotherapie und Existenzanalyse und ist stark von Viktor Emil Frankl beeinflusst. Zusätzlich ist sie als Health-Con­sultant, FH-Lektorin und zertifizierte Sachverständige für Psychotherapie tätig. Sie begründete und leitet das Institut BiCo für Biofeedback Stresstherapie Coaching. Positiv hervorzuheben ist, dass sich die Autorin aber nicht scheut, die Marketingstrategie mancher Herstellerfirmen – ganz im Zeitgeist mit der Suche nach schnellen Lösungen ohne viel Aufwand eine Idee des „schnellen Trainings“ aller möglichen Beschwerden zu propagie­ren – zu problematisieren.

Zusätzlich zum 2006 erschienenen ersten Band „Biofeedback in der Praxis, Band 1: Kinder“ sind im zweiten Band für Erwachsene noch Themen aufgenommen wie Onkologie, Angsterkankungen, Tinnitus, essentielle Hypertonie, Epilepsie, Inkontinenz sowie die Anwendungsmöglichkeiten im Bereich des Sports. Denn „Bio­feedback ist eine wunderbare Errungenschaft der neuesten Tech­nologie und ein Medium der Zeit. Es spiegelt innerpsychische Prozesse auf dem Bildschirm wieder und unterstützt das Er­lernen von Selbstregulierungsmechanismen (S. XI). Denn es gilt leider immer noch, dass unser Organismus „erst die nötige Auf­merksamkeit bekommt, wenn durch eine Krankheit oder Behinderung die Funktionsfähigkeit eingeschränkt ist“ (S. XI).

Wie immer muss aber, um zu guten Ergebnissen zu gelangen, die Indikation für das Verfahren stimmen. Das klingt trivial, ist aber doch nicht so selbstverständlich. So stellt sich für die Autorin ­zuallererst die Frage, welche Kombination von therapeutischen und biofeedbackunterstützten Trainingsmaßnahmen dem Klien­ten oder Patienten in diesem Augenblick weiterhelfen. Dann geht es mit den Schritten Wahrnehmen, Erkennen, Verstehen weiter. Die Autorin versteht es sehr gut zu vermitteln, dass Biofeedback mehr ist als nur die Rückmeldung der innerpsychischen Prozesse, sondern viele Schichten des Bewusstseins, Unterbewusstseins und Unbewussten erreichen kann. Denn: „Wer sich selbst kennt, kennt auch seinen Nächsten, ist teamfähig, verständnisvoll, kann soziale und emotionale Kompetenz aufbauen“ (S. XI). Biofeedback bietet daher auch Einsatzmöglichkeiten in der Persönlichkeitsbildung.

Interessant das Kapitel von Günter Amesberger und Thomas Fin­kenzeller über Einsatz von Biofeedback im Sport sowie von Eva Uher über Biofeedback für Frauen, insbesondere bei rehabilitati­ven Maßnahmen bei Stress- und Mischinkontinenz: Die Anwen­dungsmöglichkeiten im Sport und bei gängigen Zivilisationskrankheiten (Hypertonie, Muskelverspannungen, Panik, Migrä­ne) werden sehr praxisnah veranschaulicht. Das Buch stellt auch die therapeutischen Möglichkeiten bei hoher Stressbelastung, Erhaltung der Leistungsfähigkeit und die optimale Nutzung inne-rer Ressourcen dar. Besonders erfreulich ist, dass auf frauenspezi­fische Themen wie Beschwerden während der Wechseljahre, Ge­burtsvorbereitung und Beckenbodentraining eingegangen wird. In ihrem sehr lesenswerten Beitrag stellt Ute Strehl vom Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Universität Tübingen Neurofeedback als Mittel zur Selbstkontrolle für Patienten mit Epilepsie vor.

Fazit: So ist der Autorin zuzustimmen, dass Biofeedback ein her­vorragendes Werkzeug darstellt, sich selbst und das Wunderwerk Organismus wahrzunehmen und verstehen zu lernen. In dem Buch wird das Biofeedback sowohl im Hinblick auf seine theoretischen Grundlagen als auch auf die vielfältigen Indikatio­nen umfassend dargestellt, wobei zahlreiche neue und bislang erst wenig genutzte Anwendungsmöglichkeiten aufgezeigt wer­den. Natürlich ist das Biofeedback im Allgemeinen in einen The­rapie- oder Trainingsplan eingebettet. Es ist ein sehr lohnenswer­tes Buch für Therapeuten, Trainer, Ärzte und Interessierte an der Biofeedback-Methode. Dabei erscheint insbesondere der Einsatz bei Kopf- oder Rückenschmerzen oder auch dem Reizdarmsyndrom vielversprechend und bislang in zu geringem Ausmaß ge­nutzt. Allerdings gibt es aber auch ein Problem der Verfügbarkeit von Behandlungsplätzen. Immerhin ist Biofeedback eine Metho­de, die – nicht zuletzt aufgrund fehlender Nebenwirkungen – bei Patienten auf große Resonanz stößt. Das Buch kann daher zur Anschaffung sehr empfohlen werden.·

Dr. med. Steffen Häfner, Bad Elster