Fortschr Neurol Psychiatr 2013; 81(04): 187
DOI: 10.1055/s-0033-1335267
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kurz und gut – oder doch nur „quick and dirty“?

Quick and good or just “quick and dirty”?
G. R. Fink
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Publication Date:
15 April 2013 (online)

Diese Ausgabe der Fortschritte enthält eine Originalarbeit, die sich mit dem Sinn und Nutzen kognitiver Demenzscreenings kritisch auseinandersetzt [1]. Kognitive Demenzscreenings erfreuen sich in Anbetracht der soziodemographischen Veränderungen und der Zunahme dementieller Erkrankungen in unserer immer älter werdenden Gesellschaft zunehmender Beliebtheit – sie stellen (zumindest in den allermeisten Fällen) psychologischen Gütekriterien entsprechende Instrumente dar, die an großen Studienpopulationen für ihren breiten Einsatz validiert wurden und die somit eine zeiteffiziente Möglichkeit bieten, erste neuropsychologische Daten eines Individuums zu erfassen und in ein Verhältnis zu einer angepassten Normalpopulation zu setzen.

Jeder, der sich einmal selber mit der Entwicklung von Testverfahren zur Erfassung neuropsychologischer Symptome oder Ausfälle beschäftigt hat, weiß von den vielfältigen und oft mühseligen Schritten, die einer Testentwicklung zugrunde liegen: Definition der Kriterien für die Testentwicklung, Auswahl der Testitems, Itemschwierigkeit, Sensitivität und Spezifität, Objektivität, Reliabilität und Retest-Reliabilität sowie Validität sind nur einige Begriffe, die veranschaulichen, welch umfangreiche Schritte während der Testentwicklung durchlaufen werden, bis ein Produkt vorliegt, das am Ende immer auf den klassischen Kompromiss hinausläuft: Wie spezifisch soll der Test sein und wie sensitiv für das zu untersuchende Charakteristikum?

Uttner et al. untersuchen in ihrer Arbeit 8 Patienten mit leichter Alzheimer-Demenz und 17 Kontrollpersonen. Die insgesamt 25 Versuchsteilnehmer waren Teil einer Gruppe von 41 Personen, die sich zwei Jahre zuvor in der Gedächtnisambulanz wegen subjektiver Gedächtnisprobleme vorgestellt und einer ausgedehnten psychometrischen Diagnostik unterzogen hatte. Von den 41 Personen waren 19 als ein frühes Stadium einer AD, 11 als leicht bis mittelgradig depressiv und 11 als unauffällig klassifiziert worden. Für die hier präsentierten Ergebnisse einer aktuellen Verlaufsuntersuchung konnten 8 AD-Patienten und 17 Kontrollen, bestehend aus 9 Patienten der Depressionsgruppe und 8 Gesunden, gewonnen werden. Bei der initialen Untersuchung zeigten die AD-Patienten im Vergleich zu den Kontrollen signifikant niedrigere MMST-Werte und signifikant erniedrigte Abeta-1 – 42-Werte bzw. nicht signifikant erhöhte Tau-Konzentrationen im Nervenwasser. Neben traditionellen Gruppenvergleichen setzen Uttner et al. in ihrer Arbeit auch eine Clusteranalyse ein, um eine Klassifikation der Gruppenzugehörigkeit vorzunehmen. Aufgrund der Tatsache, dass nur elaborierte Testverfahren eine ausreichend sichere Klassifikation ermöglichten bzw. auch die Kombination von vier Screeningverfahren in 23 % der Fälle zu einer falsch positiven Klassifikation führte, kommen Uttner et al. zu dem Schluss, dass Vorsicht beim alleinigen Einsatz von Demenzscreeningverfahren geboten ist. Es ist das Verdienst der Arbeit von Uttner et al., uns alle hieran noch einmal zu erinnern: Screeningverfahren sind nur geeignet, als einer von vielen Parametern zur Einschätzung unserer Patienten herangezogen zu werden. Sie sind gedacht zum Screening – nicht mehr und nicht weniger. Passen ihre Ergebnisse mit anderen wichtigen Parametern, wie z. B. den Biomarkern der Liquoruntersuchung, zusammen, können sie genauso ein geeigneter Parameter sein, wie wenn sie mit ihrer Aussage im Gegensatz zu anderen Parametern stehen und dann den Einsatz ausführlicherer und differenzierterer Diagnostikinstrumente nahelegen oder rechtfertigen. Screeningverfahren sind geeignet, uns zu helfen, den Einsatz knapper Ressourcen zu lenken – das ist ihre Aufgabe.

Die Arbeit von Huys et al. [2] ist in dieser Ausgabe in voller Länge publiziert. An der Deutschsprachigkeit wollen wir jedoch festhalten. Zukünftig erscheinen im Heft nur die deutschen Abstracts der englischsprachigen Artikel, die online im Volltext kostenfrei einzusehen sind. Dieses Vorgehen ist das Ergebnis intensiver Diskussionen der Herausgeber der Fortschritte der Neurologie Psychiatrie mit dem Ziel, die Zeitschrift für das Publizieren von Originalarbeiten attraktiv zu erhalten: In einer Zeit, in der wissenschaftliche Arbeiten, die nicht englisch geschrieben sind, immer weniger wahrgenommen (und deswegen auch wenig zitiert) werden, öffnen sich die Fortschritte der Neurologie Psychiatrie damit dem internationalen Raum. Wir, die Herausgeber, sind gespannt auf Ihre Kommentare.

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Prof. Dr. G. R. Fink