neuroreha 2013; 5(01): 1
DOI: 10.1055/s-0033-1337339
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neue Herausforderungen

Susanna Freivogel
,
Jan Mehrholz
,
Wolfgang Fries
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Publication Date:
28 February 2013 (online)

In den letzten Jahren ist ein Trend zu beobachten: Einerseits sinken die Zahl und Belegung der stationären Betten in Deutschland, andererseits nehmen Kapazitäten und Belegung von Intensivstationen bzw. Intensivbetten deutlich zu. Insgesamt dehnt sich somit die intensivmedizinische Betreuung in Deutschland aus.

Durch eindrucksvolle Fortschritte der modernen Intensivmedizin können mittlerweile schwere Krankheiten überlebt und immer wieder sogar geheilt werden. Allerdings entsteht und vergrößert sich eine bestimmte Patientenpopulation: die der chronisch kritisch-kranken Patienten – eine Herausforderung für die personell geringen Ressourcen der Intensivstationen und für die Therapeuten.

Chronisch kritisch-kranke Menschen benötigen Behandlungskonzepte, Rehabilitationsansätze, Versorgungseinrichtungen, Finanzierbarkeit und Lebensqualität! Und das stellt die Verantwortlichen vor eine Reihe von ungelösten Problemen.

Die Therapie chronisch kritisch-kranker Menschen stellt das Neuroreha -Team vor täglich neue Herausforderungen.

Zum Beispiel: Bei intensivmedizinisch versorgten Patienten entwickelt sich häufig ein auf Intensivstation erworbenes Schwächesyndrom, das schließlich zu einem Schwerpunkt der Neurorehabilitation wird. Besondere Herausforderungen in der Behandlung von Menschen mit einem solchen Schwächesyndrom bestehen in der oftmals ausgeprägten Komorbidität dieser Patienten. Häufige Begleitprobleme in der Praxis sind neben den auffälligen Paresen vor allem Schwierigkeiten beim selbstständigen Atmen (Beatmungspflichtigkeit), Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, Übergewicht (Adipositas per magna), Nierenschäden (Dialysepflichtigkeit mit allen dazugehörigen Herausforderungen), Herz- und/oder Lungenerkrankungen und eine ausgeprägte Dekonditionierung, Dekubitalulzera und nicht zuletzt Angst und Delir. Einige dieser Komorbiditäten bedingen sich gegenseitig und treten gemeinsam auf. Sie alle können grundsätzlich in Kombination mit einer ausgeprägten Schwächesymptomatik auftreten und sowohl die Physio- als auch die Ergotherapie von chronisch kritisch-kranken Menschen erheblich erschweren und die tägliche Therapie vor bedeutende Herausforderungen stellen.

Mit diesem Heft haben wir uns dieses komplexen Themas angenommen: Zunächst erläutern Marcus Pohl und Jan Mehrholz in einem Schwerpunktartikel die Ursachen des auf Intensivstation (ITS) erworbenen Schwächesyndroms und gehen auf die Klinik, Begriffsbestimmung und Differenzialdiagnostik der Critical-Illness-Polyneuropathie (CIP) und der Critical-Illness-Myopathie (CIM) ein. Anschließend erhalten Sie einen Überblick über die Diagnostik, die Neurophysiologie und die medizinische Therapie des auf ITS erworbenen Schwächesyndroms und über die therapeutischen Ansätze. Und schließlich erfahren Sie mehr über die international gültigen Assessmentverfahren bei chronisch kritisch-kranken Menschen. Drei spannende Patientenverläufe sowie zwei interessante Interviews zeigen zudem das Risiko auf, das Patienten bei einer ausgedehnten Behandlung mit lebenserhaltenden Technologien tragen. Den Abschluss bildet eine Originalarbeit, die in Deutschland zum ersten Mal die Therapieinhalte in der Rehabilitation von Patienten mit Critical-Illness-Polyneuropathie bzw. -Myopathie evaluiert hat.

Wir und die Autoren sind überzeugt, Ihnen mit diesen Beiträgen sowohl einen guten Überblick als auch zeitgemäße, praktische und wissenschaftliche Ansätze zu bieten, die Sie bei Ihrer Arbeit unterstützen werden.

Eine spannende Lektüre wünschen Ihnen Ihre drei Herausgeber

Susanna Freivogel

Jan Mehrholz

Wolfgang Fries