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DOI: 10.1055/s-0033-1337992
Leserbrief
Publication History
Publication Date:
14 May 2013 (online)
Zwar wird in den Leitlinien der ambulante Alkoholentzug erwähnt [1], dennoch wird er in Deutschland nur selten durchgeführt. Es ist Albrecht Ulmer zu danken, diese Therapieform zu thematisieren. Allerdings ist Clomethiazol nicht das einzige Medikament, das zur Abmilderung von Entzugserscheinungen in Frage kommt. Soyka et al. berichteten über die positiven Effekte der Kombination Carbamazepin/Tiaprid als Begleitmedikation in der ambulanten Entzugsbehandlung [2], auch erwies sich die Therapie mit Levetiracetam/Tiaprid in einer Pilotstudie als effektiv [3]. Beide Medikamentenkombinationen beinhalten kein Suchtpotenzial. In diesem Kontext möchten wir kurz die Erfahrungen mit Tiaprid/Carbamazepin in unserer allgemeinmedizinischen Praxis vorstellen.
Die Patienten werden uns von einer Suchtberatungsstelle zugewiesen (Lukaswerk Braunschweig). Ein Delir in früheren Entzügen, Suizidalität, Krampfanfälle, schwere psychiatrische Komorbidität, schwere körperliche Erkrankung sind Ausschlusskriterien für den ambulanten Entzug. Die medizinische Therapie einschließlich Alkoholkontrollen in der Atemluft ist für 5 Tage geplant (montags bis freitags); die Medikamente werden in individueller Dosierung täglich mitgegeben. Die Einstiegsdosis ist maximal 4 Tbl. Carbamazepin 200 und 4 Tbl. Tiaprid 100/Tag. Parallel zur Therapie in der ärztlichen Praxis finden täglich unterstützende Einzel- und Gruppengespräche in der Suchtberatungsstelle statt. Ziel dieses kombinierten Vorgehens ist die weiterführende Therapie als ambulante oder stationäre Rehabilitationsbehandlung. Unsere Ergebnisse stellen sich wie folgt dar: In den vergangenen 5 Jahren führten wir 84 ambulante Entgiftungen durch, davon waren 75 (89%) erfolgreich. Als Erfolgskriterien wurden festgesetzt: tägliche Atemtestergebnisse von 0,00‰ und maximal ein Fehltag oder nachfolgend begonnene Rehabilitationsmaßnahme. Die Patienten erhielten zwischen 0 und maximal 11 Tagen Medikamente, durchschnittlich waren es 5,8 Tage. 1 Patient erlitt einen Krampfanfall während des Entzuges.
Unsere Ergebnisse erreichten damit knapp das Niveau von 2 Studien zur ambulanten Alkoholentgiftung. Die Erfolgsquote einer Untersuchung aus Berlin mit Levetiracetam als Entzugsmedikament lag bei 93% [4], die aus der genannten Studie von Soyka bei 98% [2]. Damit zeigt sich, dass die ambulante Alkoholentgiftung mit der von uns angewandten Medikamentenkombination durchführbar ist und hohe Erfolgschancen erreichbar sind.
Warum sollten wir unter diesen Umständen unter ambulanten Bedingungen auf das Medikament Clomethiazol mit Suchtpotenzial zurückgreifen? In 2 klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass die Reduktion von Entzugssymptomen unter der Kombination Carbamazepin/Tiaprid vergleichbar ist mit der unter der Monotherapie von Clomethiazol [5]. Clomethiazol scheint nicht effektiver als die genannten Alternativen zu sein, aber die Anwendung riskanter.
Ein ganz anderes Thema ist die Langzeitbehandlung mit Clomethiazol ähnlich einer Substitutionstherapie. Ulmer stellt in seinem Leserbrief 3 Patienten vor mit langer rückfallfreier Zeit. Mit dieser Behandlungsform eröffnen sich möglicherweise ganz neue Chancen für schwerstabhängige Patienten.
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Literatur
- 1 Mundle G, Banger M, Mugele B et al. AWMF-Behandlungsleitlinie: Akutbehandlung alkoholbezogener Störungen. Sucht 2003; 49: 147-167
- 2 Soyka M, Morhart-Klute V, Horak M. A combination of carbamazepin/tiaprid in outpatient alcohol detoxification. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2002; 252: 197-200
- 3 Müller CA, Schäfer M, Banas R et al. A combination of levetiracetam and tiaprid for outpatient alcohol detoxification: a case series. J Addict Med 2011; 5: 153-156
- 4 Müller CA, Schäfer M, Schneider S et al. Efficacy and safety of levertiracetam for outpatient alcohol detoxification. Pharmacopsychiatry 2010; 43: 184-189
- 5 Franz M, Dlabal H, Kunz S et al. Treatment of alcohol withdrawal: tiapride and carbamazepine versus clomethiazole. A pilot study. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2001; 251: 185-192