Zeitschrift für Phytotherapie 2013; 34 - P19
DOI: 10.1055/s-0033-1338221

Antiadhäsive Eigenschaften der Pflanzenextrakte Cystus052 und Ladania067 als breit wirksames antivirales Prinzip gegen respiratorische Viren

S Ludwig 1, C Ehrhardt 1, E Haasbach 2, ER Hrincius 1, J Lapuse 3, O Planz 2
  • 1Universität Münster, Institut für Molekulare Virologie, Münster
  • 2Universität Tübingen, Interfakultäres Institut für Zellbiologie, Abteilung Immunologie, Tübingen
  • 3Dr. Pandalis NatUrprodukte GmbH, Glandorf

Schwere und akute Infektionen des Respirationstrakts gehören mit weltweit jährlich 3,9 Mio. fataler Fälle zu den häufigsten Todesursachen durch Infektionserreger. Insbesondere bei Kindern unter 5 Jahren kommt es jährlich zu 120 Mio. Fällen von Pneumonien mit zumeist viraler Ätiologie mit bis zu 1,4 Mio. Todesfällen. Darüber hinaus beobachtet man immer wieder das Auftreten neuer und hochgefährlicher respiratorischer Erreger, wie z.B. dem SARS-Coronavirus oder den hochpathogenen Influenza-Viren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat aufgrund dieser Bedrohung in einer Initiative „Battle against Respiratory Viruses (BRaVe)“ ein „Call to Action“-Papier verfasst, das den dringenden Bedarf an sicheren und effektiven Therapeutika mit möglichst breitem antiviralen Spektrum hervorhebt. Hier rücken auch Pflanzenprodukte aus der traditionellen Medizin zur Abwehr von respiratorischen Viren mehr und mehr in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen.

Cystus052 ist ein polyphenolreicher Pflanzenextrakt aus einer speziellen Varietät von Cistus incanus L., der graubehaarten Zistrose, für den eine breite antivirale Aktivität gegen verschiedene Subtypen von Influenza-Viren, aber auch gegen andere respiratorische Erreger wie Rhino- oder Adenoviren nachgewiesen werden konnte. Dabei folgt der Wirkmechanismus einem ungewöhnlichen Prinzip: Die Viren werden durch eine Wechselwirkung mit den Extraktbestandteilen an der Bindung an bzw. dem Eindringen in die Wirtszelle gehindert. Gleichzeitig zeigten gesunde Wirtszellen keinerlei Reaktion auf die Extrakte. So führte Cystus052-Behandlung weder zu einem Einfluss auf die Morphologie noch auf die Proliferation, den Metabolismus oder die Überlebensfähigkeit von Zellen.

Das Fehlen einer zellulären Reaktion auf Behandlung mit Cystus052 bei gleichzeitiger starker antiviraler Wirkung veranlasste weitere Untersuchungen zum Wirkmechanismus. Im Ergebnis konnte gezeigt werden, dass Cystus052 weder in der Lage ist, rezeptorvermittelte Signale in der Zelle auszulösen, noch die Aktivierung dieser Prozesse durch natürliche Liganden von Rezeptoren zu hemmen. Zellen scheinen also gewissermaßen inert auf die Wirkung von Cystus052 zu sein. Damit erfüllt Cystus052 nicht die definitionsgemäße Voraussetzung für eine pharmakologische Wirkung, sondern die Hauptwirkung wäre eher im physikalischen Sinne als unspezifisch-antiadhäsiv zu bezeichnen. Dies steht auch mit der breiten antiviralen Wirkung gegen die verschiedensten Viren im Einklang und birgt einen weiteren Vorteil: Dem relativ unspezifischen Angriff können sich die Erreger durch Mutation nicht leicht entziehen, sodass beispielsweise keine resistenten Influenza-Erreger nach Cystus052-Behandlung gefunden werden konnten.

Kürzlich wurde mit Ladania067, einer Zubereitung aus den Blättern von Ribes nigrum L., ein weiterer Extrakt mit breiter und starker antiviraler Wirkung identifiziert, der einem ähnlichen Wirkprinzip folgt (s. V07). Zusammenfassend kann man sagen, dass antiadhäsiv wirkende Pflanzenprodukte im Sinne des WHO Call to Action eine vielversprechende Option für die antivirale Behandlung von respiratorischen Viren darstellen. Wegen des geringen Nebenwirkungsrisikos wäre hier nicht nur an die Therapie, sondern auch an eine Prophylaxe zu denken.