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DOI: 10.1055/s-0033-1341509
Community Reinforcement Approach
Publication History
Publication Date:
14 May 2013 (online)
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
unter der etwas sperrigen Bezeichnung „Community Reinforcement Approach“ CRA hat in den letzten Jahren mit erheblicher Verzögerung ein in den USA entwickeltes verhaltenstherapeutisches Behandlungsprinzip Eingang in die deutsche Suchtkrankenversorgung gefunden. Eine grundlegende Annahme des CRA ist, dass insbesondere Veränderungen in der (sozialen) Lebenswelt des Suchtkranken den weiteren Verlauf der Erkrankung bestimmen. Die in therapeutischen Kontexten (und mitunter für Therapeuten narzisstisch kränkende) oft gemachte Feststellung, dass mitunter entsprechende Veränderungen der Rahmenbedingungen mehr anzustoßen vermögen als Psychotherapie wird hier explizit in die Behandlung integriert. Die dem CRA-Ansatz zugrundeliegende Philosophie bedeutet darüber hinaus ein Plädoyer für eine stärker interdisziplinär angelegte Suchtkrankenhilfe, in der zur Optimierung der Wirksamkeit sektorenübergreifend auch andere Arbeitsfelder noch stärker integriert werden müssen. So bedeutet CRA konsequent weitergedacht auch eine Herausforderung (und damit auch Chance) für strukturelle Aspekte der Suchtkrankenhilfe.
Neben dem „eigentlichen“ CRA-Ansatz, der Rahmenbedingungen der Behandlung Suchtkranker abdeckt, existieren darüber hinaus noch das CRAFT-Programm für Angehörige nicht behandlungsbereiter Abhängiger und ein gesondertes Interventionskonzept für jugendliche Suchtkranke, der Adolescent Community Reinforcement Approach A-CRA. Während zu A-CRA im deutschsprachigen Raum bislang keine Publikationen vorliegen, wurden die Standardwerke zu CRA und CRAFT ins Deutsche übertragen und erste Implementierungsbemühungen vorgenommen. In einem deutlichen Widerspruch zu der Verbreitung der Ansätze in der Versorgung steht der bisherige weitgehende Mangel an systematischer Forschung zu den Ansätzen in Deutschland. Dementsprechend erhielt das vorliegende Heft einen gewissen „Werkstattcharakter“, der aber zugleich die Chance bietet, eine Übersicht über alltagsnahe Erfahrungen in der Umsetzung mit dem Ansatz zu skizzieren.
In einem Beitrag zur Implementierung des CRA-Ansatzes in der Region Schwerin stellen Markus Stuppe und Kollegen zunächst die basalen Elemente des CRA-Ansatzes dar und geben anschließend einen Überblick zur Umsetzung des Ansatzes in der akutpsychiatrischen Einrichtung und in der Zusammenarbeit mit den relevanten Kooperationspartnern vor Ort. Martin Reker beschreibt ausgehend von implementationswissenschaftlichen Überlegungen Erfahrungen in der Fort- und Weiterbildung zu CRA und die Notwendigkeit, neben funktionierenden Vernetzungsstrukturen auch systematisch Supervision und Coaching vorzuhalten. Empirische Daten zu prä-post-Effekten im Rahmen einer bestehenden Implementierung des CRA-Ansatzes aus einer Region in den Niederlanden liefert der Beitrag von Hendrik G. Roozen und Kollegen. Insbesondere der deutliche Effekt auf nicht unmittelbar alkoholassoziierte Lebensbereiche und psychische Beeinträchtigungsmaße ist als Hinweis auf die Effektivität des Ansatzes zu werten, auch wenn keine Vergleichsdaten aus traditionellen Behandlungssettings vorliegen. In einem empirischen Beitrag zu Behandlungsmotiven und -ergebnissen bei einer Studie zu CRAFT liefern Gallus Bischof und Kollegen Hinweise auf eine mögliche differentielle Indikationsstellung für die Angehörigenarbeit und stellen mit der neu entwickelten Skala zu Behandlungsmotiven von Angehörigen Suchtkranker ein Instrument für die Erfassung patientenseitiger Behandlungserwartungen vor.
Der CRA-Ansatz und Rahmenbedingungen der Suchtkrankenhilfe werden auch kritisch aufgegriffen in einem Interview mit Johannes Lindenmeyer zu Perspektiven der Suchtkrankenhilfe.
Ein Originalbeitrag aus der Versorgung zur Wirksamkeit, Akzeptanz, Verträglichkeit und Verbleiberate der Buprenorphin/Naloxon-Behandlung bei opioidabhängigen Patienten in einem ambulanten Setting von Reinhold Jagsch und Kollegen berichtet über insgesamt ermutigende Erfahrungen mit einer Kombinationsmedikation in der Opioidsubstitution. Prädiktiv für Behandlungsdropout war u. a. eine geringe Zufriedenheit mit der Behandlung, unabhängig von der erhaltenen Dosierung – ein Befund, an dem sich der Kreis zum Schwerpunktthema des vorliegenden Heftes schließt.
Hingewiesen sei weiterhin auf die in diesem Heft neu beginnende Rubrik „Neue Substanzen“, in der Roland Härtel-Perti die unter Bezeichnungen wie „Badesalze“ u.ä. vermarkten „Legal Highs“ vorstellt. Die Rubrik soll sukzessive Informationslücken schließen und Verunsicherungen in der Suchthilfe abbauen.
Ich wünsche Ihnen eine unterhaltsame und anregende Lektüre.
Dr. Gallus Bischof, Lübeck