JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2013; 02(02): 52
DOI: 10.1055/s-0033-1341642
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wer eine Fortbildung besucht, sollte sprachbegabt sein

Heidi Günther
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Publication Date:
04 April 2013 (online)

Ich war wieder einmal auf einer Fortbildung. Das ist nicht weiter ungewöhnlich, denn in meinem langen Krankenschwesternleben habe ich schon die eine oder andere Fortbildung besuchen dürfen und manchmal auch müssen. Nun gibt es solche und solche Fortbildungen. Bestenfalls lerne ich etwas, das mir in meiner täglichen Arbeit ein bisschen was nützt. Sie sollen mich auf den neusten Stand bringen oder, wenn es ganz gut läuft, langfristig mein Interesse und meine Lust wecken, mehr zu diesem Thema erfahren zu wollen. Sie sollten mich zum Nach- und Mitdenken anregen und mein Engagement entfachen. Praxisnähe, Kurzweiligkeit und Interaktivität schadet dabei nie. Das beste Beispiel war für mich, als eine Kollegin der Intensivstation den Mitarbeitern der Pflege ihre Facharbeit im Rahmen einer internen Fortbildung vorgestellt hat. Es war interessant, praxisnah, kurzweilig und es wurde sogar gelacht.

Dieses Mal war das Thema: Lean-Management. Diese Fortbildung dauerte etwas länger. Dafür habe ich aber auch eine Urkunde als Beleg für meine Teilnahme bekommen.

Nun ist dieses Thema in unserer Klinik sehr populär und war mir daher nicht fremd. Wir wissen es alle, es geht um die Unternehmensführung mit schlanker Hand. Es geht um Prozessoptimierung, Wertschöpfung, Kundenorientierung und Kaikaku und Kaizen. Ich muss ja hier niemanden darauf hinweisen, dass Kaikaku und Kaizen erst Sinn machen, wenn sie in eine Hoshin-Kanri eingebettet sind. Muda, Mura und Muri sollten unbedingt vermieden werden. Jeder von uns kann an seinem Gemba mit Poka-Yoke optimal arbeiten. Zur Not helfen uns dann die 5W- und 6S-Regeln. Mit diesem Thema sind wir sehr zeitgemäß, und das „Lean Hospital“ wird – um die Probleme des Gesundheitswesen zu lösen – die Zukunft sein. Dabei müssen wir unser Licht nicht unter den Scheffel stellen, denn schon seit langem arbeiten wir in vielen Arbeitsschritten nach dem Lean-Prinzip. Ich denke da nur an die Standards, an das Modulsystem bei Bestellungen, an diverse Check­listen und ähnliches. Nicht zu vergessen unsere neueste Errungenschaft: der schwarze Strich auf den Böden der Flure, um den Patienten den Weg zu weisen.

Was mich aber schon wieder stutzig macht, sind die Begrifflichkeiten. War es sonst das Business-Englisch, ist es jetzt noch ein bisschen Japanisch dazu. Dazu muss man wissen, dass die Autobauer von Toyota (was übrigens „erntereiches Feld“ heißt) das Lean Management erfunden haben. Gut nur, dass man in unserem Krankenhaus schon mit solchen Leuten wie mir rechnet. Denn für uns gibt es im Mitarbeiterportal ein Lean-Management-Lexikon – nicht, dass irgendjemand denkt, ich hätte mir diese Worte merken können. Es ist ja nicht so, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben mit dieser Sprache konfrontiert werde. Mein Bruder hatte als kleiner Junge Judo als seinen Sport auserkoren und ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mit ihm die Würfe lernen musste. Sasae-Tsuri-Komi-Ashi und Hiza Guruma – und das nur, um den gelben Gürtel zu bekommen. Ich bestelle mir auch ganz lässig Sushi oder Sashimi, solange eine Nummer davor steht. Mir gefällt, dass die Namen der Kinder meist von rührender Bedeutung sind. Aiko bedeutet „Kind der Liebe“ und Misaki „schöne Blüte“. Gut, mein Name ist ja eine Kurzform von Adelheid und bedeutet „edles Wesen“. Es hätte schlimmer kommen können und könnte mich nicht besser beschreiben.

Aber, und das macht mich ein wenig froh, Germanismen werden in der ganzen Welt beliebter und machen auch vor Japan nicht halt. Autobahn, Neurose, Baumkuchen und die Jacke heißen dort wie hier (und Sauerkraut wahrscheinlich auch).

Ich fürchte dennoch, dass ich ein bisschen polyglott werden muss. Es wird meines Erachtens in Zeiten der Globalisierung nicht mehr allzu lange dauern, und irgendwelche pfiffigen Erfindungen aus Afrika werden bei uns zur Anwendung kommen und ich werde in einer Fortbildung sitzen und die Schlagworte in Swahili oder Zulu hören. Dann geht das Ganze wieder von vorn los.

Sayonara,

Ihre Heidi Günther