Dtsch Med Wochenschr 2013; 01(02): 76
DOI: 10.1055/s-0033-1344202
Praxis der Inneren Medizin
Blut und blutbildende Organe
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Tübinger Fälle - Hyponatriämie – ignorieren oder diagnostizieren?

Hyponatremia – should it be ignored or diagnosed?
C. S. Zürn
1   Abteilung für Kardiologie und Kreislauferkrankungen, Medizinische Universitätsklinik Tübingen
,
A. Sauer-Schulz
2   Abteilung für Endokrinologie, Diabetologie, Angiologie, Nephrologie und Klinische Chemie, Medizinische Universitätsklinik Tübingen
,
G. Schnauder
2   Abteilung für Endokrinologie, Diabetologie, Angiologie, Nephrologie und Klinische Chemie, Medizinische Universitätsklinik Tübingen
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Publication Date:
08 August 2013 (online)

Zusammenfassung

Anamnese und klinischer Befund: Eine 72-jährige exsikkierte Patientin wurde vigilanzgemindert nach Sturz aufgenommen. Ihre Medikation umfasste unter anderem Hydrochlorothiazid und Amilorid.

Untersuchungen: Im Labor zeigte sich eine ausgeprägte Hyponatriämie von 107 mmol/l bei niedriger Serumosmolalität. Im Urin lagen Natrium- und Kaliumausscheidung bei > 30 mmol/l. In der Schädel-Computertomographie gab es keinen Anhalt für Traumafolgen.

Diagnose, Therapie und Verlauf: Durch den Einsatz eines diagnostischen Algorithmus konnte die Arbeitsdiagnose einer Diuretika-induzierten hypotonen hypovolämischen Hyponatriämie bestätigt werden. Durch Infusion einer physiologischen Kochsalzlösung sowie Pausieren der diuretischen Therapie wurde das Serumnatrium langsam angehoben. Die Patientin klarte vollständig auf.

Folgerung: Die Hyponatriämie ist die häufigste Elektrolytstörung beim hospitalisierten Patienten und korreliert u. a. mit neurologischen Defiziten, Sturzneigung und Intrahospitalmortalität. Oftmals wird diese Elektrolytstörung aufgrund diagnostischer Unsicherheit seitens der Ärzte ignoriert oder falsch klassifiziert. Durch den Einsatz eines diagnostischen Algorithmus kann die sichere differenzialdiagnostische Einordnung der Hyponatriämie erfolgen. Hierfür müssen nur wenige Parameter erhoben werden: Serum- und Urinosmolalität, Urin-Natrium und -Kalium. Neben dem vorsichtigen Ausgleich des Serumnatriums sind kausale Therapien zu bevorzugen, z. B. Absetzen von Diuretika, Behandlung der Grunderkrankung. Für die Untergruppe der Patienten mit dem Syndrom der inadäquaten Sekretion des antidiuretischen Hormons (SIADH; hypotone isovolämische Hyponatriämie) sind die selektiven Arginin-Vasopressin-Rezeptor-2-Antagonisten (Vaptane) eine neue therapeutische Option. Allerdings sehen wir die Indikationen hierfür aufgrund hoher Tagestherapiekosten nur bei SIADH-Patienten mit nicht konsequent durchführbarer Flüssigkeitsrestriktion. Zudem ist die Gefahr einer Tolvaptan-induzierten Leberschädigung zu achten.