Notfallmedizin up2date 2013; 8(04): 246-250
DOI: 10.1055/s-0033-1346916
Schritt für Schritt

Die endotracheale Intubation

Jürgen Knapp
,
Erik Popp

Ziel und Zweck

Die Wiederherstellung und Sicherung der Vitalfunktionen des Notfallpatienten ist die wichtigste Aufgabe des Notarztes. Dazu gehören u. a. die Ventilation, die optimale Oxygenierung des Patienten und die Verhinderung einer Aspiration. Hierfür stellt die orale endotracheale Intubation in vielen Fällen den Goldstandard dar. Diese Maßnahme ist bei gegebener Indikation (Checkliste 1) häufig lebensrettend, bei Fehlern oder Komplikationen im Rahmen des Intubationsvorganges jedoch mit einer erhöhten Morbidität und Letalität verbunden. In einer Studie von Timmermann et al. [1] waren 11 % der präklinisch intubierten Patienten endobronchial intubiert und 7 % ösophageal (mit einer Letalität von 80 %). Selbst in der endotrachealen Intubation erfahrene Notärzte (> 300 innerklinische endotracheale Intubationen) haben in 15 % der präklinischen Intubationen mit Schwierigkeiten zu kämpfen (schlechte bzw. keine Einsehbarkeit der Stimmbandebene, ≥ 3 Intubationsversuche, Blut oder Erbrochenes im Mund, ungünstige Position des Patienten) [2].

Checkliste 1

Indikation zur präklinischen endotrachealen Intubation

  • Apnoe

  • Schnappatmung

  • Schädel-Hirn-Trauma mit GCS < 9

  • Hypoxie trotz Sauerstoffgabe und Ausschluss eines Spannungspneumothorax

  • respiratorische Insuffizienz

Die endotracheale Intubation ist aufgrund der akuten Vitalgefährdung des Patienten oft mit Stress für das gesamte Team assoziiert. Gleichzeitig ist die endotracheale Intubation aber auch eine Tätigkeit, die für Notärzte, die nicht anästhesiologisch tätig sind, nicht alltäglich ist; somit kann deren Ausführung mit Unsicherheiten verbunden sein [3]. Hinzu kommt, dass die Technik der endotrachealen Intubation nur innerklinisch am realen Patienten erlernt werden kann und selbst unter innerklinischen Bedingungen mindestens 150 erfolgreiche endotracheale Intubationen notwendig sind, bis weitere Intubationen mit einer Erfolgsrate von 85 % durchgeführt werden können [4]. Ein Erlernen am Phantom oder Simulator ist nach wie vor unrealistisch [5], ebenso wie ein „Lernen durch Zuschauen“, da die engen anatomischen Verhältnisse im Kehlkopfbereich des Patienten nur die Visualisierung entweder für den Lehrenden oder den Lernenden zulassen.

Die endotracheale Intubation erfordert mehrere Arbeitsschritte:

  1. Vorbereitung und Funktionskontrolle des benötigten Materials (Checkliste 2)

  2. Absprache über die Aufgabenteilung im Team

  3. „Präoxygenierung“ („Denitrogenisierung“) des Patienten über 4 min bei ausreichender Spontanatmung mit hohem Sauerstoffflow bzw. bei unzureichender Spontanatmung mittels Masken-Beutel-Beatmung während der Vorbereitungszeit für die endotracheale Intubation

  4. Optimierung der Lagerung des Patienten

  5. (ggf.) Narkoseeinleitung und Muskelrelaxation (rapid sequence induction), Blutdruckmessung vor und nach Narkoseeinleitung alle 1–2 Minuten

  6. Öffnen des Mundes

  7. Verdrängen der Zunge mittels Laryngoskopie

  8. Darstellung und sichere Identifikation der Stimmbänder

  9. Einführung des Endotrachealtubus

  10. Lagekontrolle und Anschluss des CO2-Monitorings

  11. Fixierung des Tubus

  12. Anlage einer Magensonde

Checkliste 2

Vorbereitung zur präklinischen Intubation

  • Absaugkatheter mit laufender Absaugung zur rechten Hand des Notarztes

  • passender Endotrachealtubus mit Führungsstab

  • Beatmungsbeutel mit Reservoir bzw. Demandventil und Sauerstoffzuleitung (O2-Fluss mind. 15 l/min)

  • Laryngoskop mit passendem Spatel

  • Blockerspritze

  • Fixierungsmaterial

  • ggf. Narkosemedikamente

  • außer in Reanimationssituationen Monitoring des Patienten mit Pulsoxymetrie, EKG und nicht invasiver Blutdruckmessung

Fixierung des Tubus. Der Tubus muss sicher fixiert werden. Dies erfolgt präklinisch im einfachsten Fall mit einer Mullbinde. Hierbei ist streng darauf zu achten, dass der Tubus nicht nur mit einem „Ankerstich“ umschlungen wird, sondern zusätzlich ein fixierender Knoten (zwei „halbe Schläge“) den Tubus gegen Verrutschten sichert. Kostenintensiver sind speziell für die präklinische Situation entwickelte Tubushalterungen (z. B. Thomas Tube Holder, Laerdal). Zusätzlich sollte der Notarzt bei Umlagerungsmanövern oder bei Manipulation am Beatmungsschlauch den Tubus im Mundwinkel des Patienten fixieren und so gegen eine akzidentelle Dislokation sichern.

Anlage einer Magensonde. Prinzipbedingt führt nahezu jede präklinische Beutel-Maskenbeatmung zu einer Luftinsufflation in den Magen. Diese erhöht das Aspirationsrisiko, auch bei bereits bestehender Intubation, da der Cuff eines Endotrachealtubus gegenüber Flüssigkeiten nicht hundertprozentig dicht ist. Regurgitation von Mageninhalt sollte deshalb auch bei bestehender endotrachealer Intubation verhindert werden. Hierzu bietet sich die Entlastung des Magens mittels einer Magensonde oder als einfache und schnelle Lösung mittels des bereits verwendeten/vorbereiteten Absaugkatheters an.

Bei Kindern erlangt die Insufflation von Luft in den Magen aufgrund der ungünstigeren Größenverhältnissen schnell Relevanz bei der Beatmung (keine Ventilation der Lunge möglich, bei übervoller Magenblase) und der Hämodynamik.

Endotracheale Intubation
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Abb. 1Maskenbeatmung. Bei kritisch kranken Patienten mit inadäquater Spontanatmung muss während der Vorbereitungszeit für die endotracheale Intubation und der Anschlagzeit der Narkosemedikamente und des Muskelrelaxans eine Maskenbeatmung (O2-Fluss 15 l/min, Beatmungsbeutel mit Reservoir oder Demandventil) erfolgen, um eine Hypoxämie während des endotrachealen Intubationsvorgangs möglichst zu vermeiden [6]. Die Abbildung demonstriert den sogenannten C-Griff bei der Maskenbeatmung. Der sichere Griff sowie die korrekte Wahl der Maskengröße ist Voraussetzung, um auch bei Patienten mit schwierigeren Voraussetzungen (z. B. Bartträger, Patienten mit Gesichtsanomalien) ventilieren zu können. Im Gegensatz zu dem dargestellten Bild in der Klinik gestaltet sich die Situation präklinisch häufig schwieriger, da die Position des Patienten, aber auch das verwendete Material (Beatmungsbeutel mit Maske) weniger optimal sind. Schwierige Situationen können mittels „doppeltem C-Griff“ (1. Person fixiert mit zwei C-Griffen die Maske, 2. Person bedient den Beutel) und Hilfsmitteln des oberen Atemweges (Guedel-, Wendl-Tubus) entschärft werden.
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Abb. 2Lagerung des Patienten. Die optimale Lagerung des Patienten bringt die Öffnung des äußeren Gehörgangs und das Jugulum in eine gemeinsame horizontale Ebene. Auch die Ebene des Gesichts sollte etwa horizontal orientiert sein. Sehr adipöse Patienten benötigen hierfür ggf. eine Unterlagerung der Schultern und des Kopfes (sog. Ramp position). Bei Säuglingen muss aufgrund des großen Hinterkopfes eine Unterpolsterung der Schultern erfolgen.
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Abb. 3Öffnen des Mundes – Esmarche Handgriff. Die Öffnung des Mundes des Patienten gelingt besonders gut mittels des Handgriffs nach Esmarch, welcher auch ideal zur Inspektion der Mundhöhle geeignet ist. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass die Öffnung des Mundes besonders gut gelingt, wenn der Unterkiefer angehoben (d. h. im Liegen deckenwärts gehoben) wird.
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Abb. 4a Öffnen des Mundes – Kreuzgriff. Für den eigentlichen endotrachealen Intubationsvorgang ist jedoch der Kreuzgriff mit der rechten Hand (gilt auch für Linkshänder!) die zuverlässigste Möglichkeit, den Mund mit einer Hand zu öffnen. Hierbei drückt der Notarzt mit dem Daumen seiner rechten Hand den Unterkiefer an der Zahnreihe nach kaudal. Zeige- oder Mittelfinger stützen die Hand an der Zahnreihe des Oberkiefers ab. b Öffnen des Mundes – Kreuzgriff. Wichtig ist dabei, dass der Kreuzgriff möglichst weit rechts im Mund durchgeführt wird, damit links davon viel Raum für das Einführen des Laryngoskops bleibt.
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Abb. 5Einführen des Laryngoskops. Der Spatel wird leicht rechts der Mittellinie über die Oberfläche der Zunge in den Pharynx und dann weiter in den Hypopharynx vorgeschoben. Die Zunge wird so durch den Spatel nach links und in Richtung Mundboden aus dem Blickfeld verdrängt.
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Abb. 6Einführen des Laryngoskops.
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Abb. 7Einführen des Laryngoskops. Falls Zungenmuskulatur rechts vom Spatel die Sicht verdeckt, muss der Spatel neu (etwas weiter nach rechts versetzt) positioniert werden, um die Zunge komplett zu verdrängen. Ein mittiges Aufladen der Zunge ist Spezialsituationen vorbehalten. Da die rechte Hand durch das Aufladen der Zunge (und damit des Unterkiefers) mit dem Laryngoskop frei wird, steht sie nun zu Verfügung, um die häufig eingeklemmte Unter- oder Oberlippe zu befreien. Zudem kann durch die rechte Hand am Kehlkopf manipuliert werden, um die Sicht auf die Stimmbandebene zu verbessern.
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Abb. 8Identifikation der anatomischen Strukturen. Zur Orientierung während der Laryngoskopie müssen mehrere anatomische Strukturen dargestellt und identifiziert werden. Zunächst wird die Uvula, dann die Hinterwand des Pharynx und schließlich an der Zungenbasis die Epiglottis sichtbar. Meist ist nur minimaler Kraftaufwand nötig. Die Spitze des Spatels wird in der Vallecula epiglottica positioniert. Durch Zug am Laryngoskop in Richtung des Handgriffs wird die Epiglottis aufgerichtet und der Blick auf die Stimmbänder frei.Falls die Epiglottis nicht darzustellen ist, kann dies mehrere Gründe haben: falsche Lagerung des Patienten, der Laryngoskopspatel wurde zu tief eingeführt, Speichel, Blut oder Erbrochenes verdecken die Epiglottis. Daher sollte in diesen Fällen die Lagerung des Patienten überprüft und optimiert werden (s. o.), der Spatel erneut langsam unter Darstellung der o. g. anatomischen Strukturen eingeführt werden bzw. mit einem Absaugkatheter Flüssigkeiten aus dem Mund-Rachenraum entfernt werden. Die Darstellung der Stimmbänder kann wie bereits erwähnt durch externe Larynxmanipulation verbessert werden. Hierbei wird der Schildknorpel initial durch den Notarzt selbst, während des endotrachealen Intubationsvorgangs dann aber durch eine Assistenzperson leicht nach rechts, dorsal und kranial verschoben, um den Larynx besser ins Blickfeld zu rücken.
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Abb. 9Tubusmanipulation. Wenn die Stimmbänder sicher identifiziert wurden, wird unter Sichtkontrolle der Tubus vom rechten Mundwinkel kommend in die Trachea eingeführt. Falls der Tubus hierbei die Sicht verdecken sollte, kann eine Umformung des Tubus mit dem einliegenden Führungsdraht in eine Art Hockeyschläger-Form die Intubationsbedingungen verbessern (gerade Form mit einem ca. 35°-Winkel am proximalen Ende des Cuffs). Die Abbildung stellt den gleichen Tubus mit unterschiedlich geformtem Führungsstab dar. Einmal mit konventioneller Krümmung (oben), einmal als Hockeyschläger (mittig) und einmal als Hockeyschläger mit überstehenden Führungsstab (unten). Letztere Variante ist potenziell gefährlich, da sie Verletzungen des Kehlkopfes und der Trachea begünstigt. Sie sollte daher nur in bei speziellen Indikationen eingesetzt werden. Alle Konfigurationen außerhalb der konventionellen Krümmung sollten nur auf expliziten Wunsch des Anwenders angreicht werden.
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Abb. 10Einführen des Endotrachealtubus. Bei der Übernahme des Tubus von der Assistenzperson bietet es sich an, diesen direkt im oberen (distalen) Drittel zu übernehmen, um eine endotracheale Intubation ohne Nachgreifen am Tubus zu ermöglichen.
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Abb. 11Lagekontrolle. Unmittelbar im Anschluss an die endotracheale Intubation erfolgt die Lagekontrolle des Tubus durch Auskultation von Magen und Thorax. Zunächst wird der Magen im Epigastrium auskultiert und bei fehlendem Insufflationsgeräusch dem Intubierendem Rückmeldung gegeben: „Magen frei“. Es folgt dann die Auskultation der beiden Thoraxhälften möglichst von lateral (um eine Fehlinterpretation von der kontralateralen Seite weitergeleiteten Ventilationsgeräusche zu vermeiden) und jeweils mit dem Hinweis „linke/rechte Seite beatmet“. Abschließend muss noch durch weitere Auskultationen über mehreren Lungenfeldern beurteilt werden, ob die Ventilationsgeräusche seitengleich sind. Die Lagekontrolle durch Auskultation kann im präklinischen Umfeld aufgrund der oft lauten Umgebungsgeräusche erschwert sein, ist aber zwingend beispielsweise auch zur Diagnose eines Pneumothorax (der sich nach endotrachealer Intubation rasch zu einem Spannungspneumothorax entwickeln kann) erforderlich. Des Weiteren muss unbedingt der Ausschluss einer ösophagealen Fehlintubation durch Kapnometrie oder besser durch Kapnografie erfolgen.


Publication History

Publication Date:
16 December 2013 (online)

Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York

 
  • Literatur

  • 1 Timmermann A, Eich C, Russo SG. et al. The out-of-hospital esophageal and endobronchial intubations performed by emergency physicians. Anesth Analg 2007; 104: 619-623
  • 2 Timmermann A, Russo SG, Eich C. et al. Prehospital airway management: A prospective evaluation of anaesthesia trained emergency physicians. Resuscitation 2006; 70: 179-185
  • 3 Gries A, Zink W, Bernhard M. et al. Realistic assessment of the physician-staffed emergency services in Germany. Anaesthesist 2006; 55: 1080-1086
  • 4 Bernhard M, Mohr S, Weigand MA. et al. Developing the skill of endotracheal intubation: implication for emergency medicine. Acta Anaesthesiol Scand 2012; 56: 164-171
  • 5 Deakin CD, Murphy D, Couzins M, Mason S. Does an advanced life support course give non-anaesthetists adequate skills to manage an airway?. Resuscitation 2010; 81: 539-543
  • 6 DGAI Handlungsempfehlung für das präklinische Atemwegsmanagement. Anästh Intensivmed 2012; 53: 294-308