Zahnmedizin up2date 2014; 8(1): 67-82
DOI: 10.1055/s-0033-1346918
Oralmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Antibiotika in der Zahnmedizin

Frank Halling
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Publikationsdatum:
21. Januar 2014 (online)

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Einleitung

Das Keimspektrum der Mundhöhle besteht aus mehr als 500 verschiedenen Bakterienspezies, die sich in Clustern organisieren und untereinander permanent kommunizieren [[1]]. Über das Quorum Sensing können Bakterien bei der Verschiebung des biologischen Gleichgewichts, z. B. in Folge einer Abwehrschwäche des Wirtes, mithilfe kleiner hormonähnlicher Moleküle (Autoinducer) ihr Verhalten ändern. Ist eine bestimmte Bakteriendichte über- oder unterschritten, können Bakterien durch das Quorum Sensing Prozesse wie die Bildung eines Biofilms oder die Änderung des Pathogenitätsfaktors in Gang setzen [[2]]. In der Mundhöhle spielen diese Mechanismen insbesondere bei der odontogenen parodontalen Infektion eine Rolle.

Merke: Bei Parodontitis ist das Verhältnis von „benefizieller“ Flora des gesunden Parodonts (mit grampositiven, aeroben Keimen) und parodontopathogener gramnegativer, anaerober Mischflora verschoben [[3]].

Die zweite Gruppe der odontogenen Infektionen ist dadurch gekennzeichnet, dass Bakterien z. B. über kariös zerstörte Zähne in den Kieferknochen gelangen und dort eine Entzündung auslösen. Während sich die Infektion in Form einer Parodontitis apicalis zunächst meist ins Knochenmark ausbreitet, droht nach dem Durchtritt des Eiters durch das Periost eine Ausbreitung in tiefer gelegene Spalträume und Logen der Gesichts- und Halsweichteile.

Merke: Die Parodontitis apicalis (und seltener die Parodontitis marginalis) kann zum Ausgangspunkt von Infektionen werden, die sich in den Weichteilen des Kopf- und Halsbereichs als Abszess (oder seltener im Knochen als Osteomyelitis) manifestieren können.

Bei der Untersuchung von 64 odontogenen Abszessen dominierten in einer Studie von Bresco-Salinas u. Mitarbeiter grampositive fakultative Anaerobier mit einem Anteil von 68 %, gefolgt von gramnegativen strikten Anaerobiern mit einem Anteil von 30 %. Durchschnittlich waren 2–5 Erreger an einer Infektion beteiligt. Insgesamt wurden 184 verschiedene Bakterienstämme isoliert. In mehr als 70 % der Isolate fand sich Streptococcus mutans; Enterococcus faecalis und Bacteroides forsythus folgten mit einem Anteil von jeweils 28 % [[4]]. In einer deutschen Studie zum Keimspektrum bei 65 odontogenen Abszessen wurden Anaerobier in einem Verhältnis von 2 : 1 gegenüber den aeroben Keimen nachgewiesen. In mehr als 70 % der Isolate fanden sich anaerob-aerobe Mischinfektionen mit durchschnittlich 3,65 Erregern [[5]] (Abb. [1]).

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Abb. 1 Zusammensetzung des Keimspektrums bei 65 (= 100 %) odontogenen Infektionen [[5]].
Bedeutung der mikrobiologischen Diagnostik

Die mikrobiologische Diagnostik spielt bei odontogenen Infektionen im ambulanten zahnärztlichen Bereich eine geringe Rolle. Neben den Transportproblemen ist der therapeutische Nutzen durch die Angabe einer Antibiotikasensibilität begrenzt [[6]]. Die Aussagekraft intraoraler Abstriche ist aufgrund der Vielzahl der nachgewiesenen Keime nur selten diagnostisch wegweisend, und die Korrelation der nachgewiesenen Erreger mit Keimen, die die Entzündung unterhalten, ist ausgesprochen schlecht.

Eine mikrobiologische Diagnostik wird deshalb nur bei ausgedehnten Abszessen, bei Phlegmonen oder Osteomyelitiden empfohlen, die aber zumeist im stationären Bereich behandelt werden [[6]].