Diabetes aktuell 2013; 11(2): 55
DOI: 10.1055/s-0033-1347024
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Individualisierte Diabetestherapie

Antje Bergmann
,
Peter E. H Schwarz
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Publication Date:
13 May 2013 (online)

Neue Medikamente im Diabetesmanagement – man könnte nun fragen, wo diese denn sind? Es gibt viele neue Medikamente und auch Kombinationstherapien, aber einige davon tun sich auf dem deutschen Markt schwer. Seit etwa 2 Jahren gibt es das Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) und eine Behörde, die den Mehrwert neuer Substanzen definiert. Jedes neue Medikament muss gegenüber den gesetzlich festgelegten Standardtherapien (Metformin, Metformin in Kombination mit Sulfonylharnstoff und Insulintherapie) einen Zusatznutzen nachweisen. In einem zweiten Schritt sind Preisverhandlungen basierend auf dem gegebenen Zusatznutzen möglich. Was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, kann sich gegebenenfalls als Bumerang erweisen, da neue innovative oder ergänzende Therapiekonzepte, die gleich gut wirksam sind, kaum noch eine Chance haben. Gerade in der derzeitigen Situation, da die SGLT2-Hemmer von AMNOG überprüft werden, kann sich eine paradoxe Situation ergeben, da die SGLT2-Hemmer eine ähnliche oder diskret bessere HbA1c-Absenkung als die Vergleichssubstanz Metformin erreichen. Der Tatsache geschuldet, könnte dann konsequenter Weise gegebenenfalls auch nur ein diskret besserer Preis für SGLT2-Hemmer generiert werden. Metformin ist generisch, sodass ein resultierender Preis derart niedrig wäre, dass damit die Einführung für SGLT2-Hemmer in Deutschland in Gefahr ist. Das wäre immer noch nicht schlimm, wenn das neue Medikament nur eine andere Metformin-Wirkungsweise darstellen würden. Da es sich bei den SGLT2-Hemmern aber um ein völlig neuartiges Therapieprinzip handelt, welches eine interessante und sinnvolle Ergänzung des medikamentösen Portfolios im Diabetesmanagement darstellt – und dadurch verloren geht – ist die Situation paradox. Kritisiert wird dabei sehr, dass die Vergleichstherapien gesetzlich festgelegt sind und dass Sulfonylharnstoffe dabei eine prominente Rolle spielen. Es wurde oft diskutiert, ob man nicht auch die Sulfonylharnstoffe von AMNOG bewerten lassen sollte, da die strengen Kriterien, die das AMNOG an Medikamente anlegt, von Sulfonylharnstoffen selbst nicht gehalten werden können. Im Moment werden sowohl diese SGLT2-Inhibitoren als auch die DPP4-Hemmer bewertet und es droht die Situation, dass in wenigen Monaten keine dieser Therapien in Deutschland mehr verfügbar sind.

Aus diesem Grund haben wir uns in dem vorliegenden Heft modernen Therapieformen im Diabetesmanagement zugewandt. Trotz eines recht umfangreichen Portfolios im Diabetesmanagement ist die Therapie des Typ-2-Diabetes immer noch eine Herausforderung. Insbesondere bei Patienten mit Adipositas oder einer ausgeprägten Insulinresistenz ist es oft schwierig, die strengen HbA1c-Zielwerte zu erreichen. Es ist wichtig, hier Synergien einzelner Therapiekonzepte miteinander zu kombinieren, wie zum Beispiel die Kombination von Insulin und GLP1-Rezeptorantagonisten. Zu diesem Thema nimmt Baptist Gallwitz Stellung. Die oben schon erwähnten SGLT2-Inhibitoren stehen derzeit unter AMNOG Bewertung. Stefan Martin stellt uns die bereits verfügbaren und die beiden in den nächsten Monaten kommenden SGLT2-Inhibitoren in einer hervorragenden Übersicht vor. Insbesondere die Tabelle auf der vorletzten Seite gibt einen sehr guten Überblick über die 3 Substanzen und ihre Effekte in Kombination. Helmut Schatz berichtet zum Abschluss über neue Insuline, die noch schneller oder auch noch länger wirken oder sogenannte „Smart-Insuline“, die blutzuckerabhängig wirken.

Es ist ein spannendes Feld, was heute in der Diabetologie möglich ist. Wir brauchen aber auch Rahmenbedingungen, um diese Instrumente so einzusetzen, dass sie für den Patienten, der davon profitiert, auch genutzt werden können. Der AMNOG-Prozess stellt momentan gefühlt eine klare Schranke dar. Es ist zu wünschen, dass im Interesse einer individualisierten Diabetestherapie und einem personalisierten Diabetesmanagement eine zielführende Flexibilität im Diabetesmanagement möglich ist. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viel Spaß beim Lesen.

Ihr Antje Bergmann und Peter Schwarz