Z Sex Forsch 2013; 26(3): 274-275
DOI: 10.1055/s-0033-1350484
Nachruf
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Helmut Leiblein (1954–2013)

Andreas Hill
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Publication Date:
16 September 2013 (online)

Helmut Leiblein wurde am 10. Mai 1954 in Aschaffenburg als ältester von zwei Söhnen des Richters Edgar Leiblein und der Lehrerin Ruth Leiblein geboren. Nach dem Abitur 1973 am Kronberg-Gymnasium in Aschaffenburg studierte er Humanmedizin zunächst an der Ludwig-Maximilian-Universität in München, später an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main; den größten Teil seines Praktischen Jahres am Ende des Studiums verbrachte er im englischen Warwick. 1984 erhielt er die Approbation und promovierte im gleichen Jahr bei Volkmar Sigusch am Frankfurter Institut für Sexualwissenschaft mit einer Dissertation nicht über die übliche, den Frauen überantwortete Empfängnis-, sondern die „Zeugungsverhütung – Praxis und Kritik“. Das Ergebnis dieser Arbeit pointierte Helmut Leiblein mit dem Satz „Geschäft und Potenzangst verhindern die Entwicklung alternativer Empfängnisverhütung" (Leiblein 1984b); schon hier manifestiert sich sein eigenständiges und gesellschaftskritisches Denken – und Handeln –, wie auch sein sexualwissenschaftliches Interesse. Nach einem Jahr als Assistenzarzt in der Gefäß- und Thoraxchirurgie der städtischen Klinik in Fulda absolvierte er eine Weiterbildung in Naturheilverfahren (1986), ließ sich als praktischer Arzt in Regensburg nieder und schloss 1993 die Facharztausbildung für Allgemeinmedizin sowie die Ausbildung für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, 2002 die für Psychoanalyse ab. Neben seiner praktischen Arbeit als ärztlicher Psychotherapeut und Psychoanalytiker war er in leitenden Funktionen am Ärztlichen (später ärztlich-psychologischen) Weiterbildungskreis für Psychotherapie und Psychoanalyse Ostbayern (ÄWK, später ÄPWK) tätig.

Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS) wurde Helmut Leiblein 1997, nachdem er die Fortbildung in Paartherapie bei sexuellen Funktionsstörungen am Hamburger Institut für Sexualforschung absolviert hatte, 2001 erhielt er das Zertifikat Sexualtherapie der DGfS und 2003 die entsprechende Lehrbefähigung. Während seiner Mitarbeit im Fort- und Weiterbildungsausschuss der DGfS (2003 – 2010) engagierte er sich vor allem für die Entwicklung eines Sexualmedizinischen Curriculums (zusammen mit Ulrike Brandenburg) und die Etablierung des modularisierten Curriculums Sexologische Basiskompetenzen (C I Flex) und entwickelte innovative Ansätze wie die Vermittlung sexualwissenschaftlicher Basiskompetenzen im Rahmen der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapieausbildung in Ostbayern. Er beteiligte sich bei der Ausrichtung der Klinischen Tagungen der DGfS, z. B. zu „Sex, Lügen und Internet“ in Münster 2008 (vgl. Becker, Hauch und Leiblein 2009) und übernahm die lokale Organisation der 22. Wissenschaftlichen Tagung der DGfS „Lust und Schmerz – sadomasochistische Perspektiven“ in Regensburg 2007.

Helmut Leiblein war seit 2006 in zweiter Ehe mit der Betriebswirtin Rita Leiblein verheiratet. Er hinterlässt drei erwachsene Kinder, davon aus erster Ehe seine Tochter Eva (Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin) und seinen Sohn Lukas (Student der Psychologie und Politik), aus der zweiten Ehe seine Stieftochter Nadine (Juristin).

Die Basis meiner Freundschaft mit Helmut wurde durch die gemeinsame Teilnahme an der sexualtherapeutischen Fortbildung 1997 in Hamburg gelegt. Meine persönlichen wie beruflichen Kontakte mit ihm – später v. a. im Rahmen meiner Tätigkeit als Geschäftsführer der DGfS – waren geprägt von seiner sehr eigenen Art, sich zu öffnen, auch bzgl. sehr privater Dinge, ohne dass dies jemals unangemessen nah wurde. Er konnte genauso gut zuhören, wie scharfsinnig und klug analysieren, sich selbst immer wieder hinterfragen und zurücknehmen, ohne sein Wissen und Können unter den Scheffel zu stellen oder seine Position aufzugeben. Er verband unterfränkische Bodenständigkeit, Lebensfreude und Bescheidenheit mit britischer Höflichkeit und Humor. Er war gleichermaßen direkt und dezent; einerseits tatkräftig, viril, kreativ, andererseits nachdenklich, sensibel, tiefgründig. Im privaten Leben wie im Beruf verband er das somatisch-sinnliche mit dem psychisch-intellektuellen. All dies sind Eigenschaften, die ihn für Psychotherapie im Allgemeinen und die sexueller Störungen im besonderen prädestinierten – und ihn mir zu einem, trotz räumlicher Distanz, eng verbundenen und hoch geschätzten Freund werden ließen.

Helmut Leiblein erlag am 7. Mai 2013 nach langem Kampf einem Krebsleiden. Sein viel zu früher Tod hinterlässt die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung – und mich – in schmerzhafter Trauer. Er wird uns gemäß dem für seine Trauerfeier am 21. Mai 2013 ausgewählten Aphorismus von Georg Bernhard Shaw in liebevoller wie nachdenklicher Erinnerung bleiben:

Das Leben hört nicht auf, komisch zu sein,

wenn Menschen sterben,

ebenso wenig, wie es aufhört, ernst zu sein,

wenn man lacht.