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DOI: 10.1055/s-0033-1352487
Hydroxyethylstärke: Stellungnahme der Präsidenten der DGAI und des BDA sowie der Präsidentin der DAAF
Publication History
Publication Date:
08 August 2013 (online)
Seit Jahren existiert eine kontroverse Diskussion zum Stellenwert von Hydroxyethylstärke-Lösungen (HES-Lösungen) in der Intensivmedizin [1] [2]. Publikationen multizentrischer Studien der jüngeren Vergangenheit (VISEP, CRYSTMAS, 6S, CHEST) haben zu einer Konkretisierung der Bewertung dieser Medikamentengruppe geführt [3] [4] [5] [6]. So hat im März 2013 die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) auf Antrag des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein Risikobewertungsverfahren zur grundlegenden Überprüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses HES-haltiger Infusionslösungen eingeleitet [7]. Im Rahmen des Risikobewertungsverfahrens kam der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) in seiner Juni-Sitzung zu dem Schluss, dass der Nutzen HES-haltiger Infusionslösungen die Risiken nicht länger überwiegt, und empfahl daher ein Ruhen der entsprechenden Zulassungen [8]. Das europäische Risikobewertungsverfahren ist diesbezüglich allerdings noch nicht abgeschlossen und weiterführende Betrachtungen können noch einige Monate in Anspruch nehmen [9].
Zwischenzeitig erfolgte eine Stellungnahme der „Faculty of Intensive Care Medicine“, des „Royal College of Anaesthetists“, der „Intensive Care Society“ und des “College of Emergency Medicine”, welche die Bewertung des PRAC unterstützt und den primären Einsatz von Kristalloiden empfiehlt sowie bei Verwendung von Kolloiden den Einsatz von Gelatine oder Humanalbumin nahelegt [10].
Mitglieder des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) diskutierten in einem Treffen mit den Verantwortlichen des BfArM am 27.06.2013 die aktuelle Evidenzlage und differenzierten dabei sowohl zwischen den verschiedenen Präparaten als auch den unterschiedlichen Einsatzgebieten. Die Vertreter des BfArM stellten den Analyseprozess dar und leiteten die o. g. Schlussfolgerungen her. Die Vertreter der DGAI sehen ebenfalls die Voraussetzungen erfüllt, nach denen die Verwendung von HES-Lösungen mit einem mittleren Molekulargewicht von 200 kDa (HES 200/0,5 und HES 200/0,62) aufgrund des potenziellen Risikos von Nierenfunktionsstörungen für alle Indikationen auszusetzen sei [3] [11]. HES-Lösungen mit einem mittleren Molekulargewicht von 130 kDa (HES 130/0,4 und HES 130/0,42) sollten bis zum Vorliegen der abschließenden Risikobewertung in der intensivmedizinischen Therapie vorsorglich ebenfalls nicht zur Anwendung kommen.
Für den perioperativen Bereich wurde durch die DGAI auf das Fehlen effektiver Alternativsubstanzen mit Wirkung auf das intravasale Volumen hingewiesen. Die Verwendung von Gelatine geht mit einem geringeren Volumeneffekt bei erhöhtem Anaphylaxie-Risiko (im Vergleich zu HES) einher. Ebenso ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Humanalbumin für die perioperative Volumensubstitution nicht eindeutig belegt. Das BfArM argumentierte hierzu, dass die Evidenzlage für günstige Effekte von HES im perioperativen Behandlungsfeld fehle und, basierend auf der Betrachtungsweise eines „class effects“, insofern eine generelle Suspendierung über das gesamte bisherige Indikationsspektrum wahrzunehmen sei.
Bereits 2012 hat die DGAI unter Moderation der AWMF eine aus Mitgliederbeiträgen eigenfinanzierte S3-Leitlinie zur Volumenersatztherapie in der perioperativen Medizin und Intensivmedizin initiiert, deren Ergebnisse Ende 2013 erwartet werden. Bis zum Vorliegen dieser Ergebnisse empfehlen die Unterzeichner vorsorglich, den Einsatz von HES in jedem Einzelfall kritisch abzuwägen und auf Patienten mit akut vitalbedrohlichen, anderweitig nicht beherrschbaren Blut- und Volumenverlusten zu beschränken.
Herausgeber
G. Geldner, Ludwigsburg
T. Hachenberg, Magdeburg
W. Koppert, Hannover
C. Krier, Stuttgart
G. Marx, Aachen
N. Roewer, Würzburg
J. Scholz, Kiel
C. Spies, Berlin
H. Van Aken, Münster
H. Wulf, Marburg
K. Zacharowski, Frankfurt/Main
Experten-Panel
B. Bein, Kiel
E. Biermann, Nürnberg
J. Biscoping, Karlsruhe
B. Böttiger, Köln
M. Bucher, Halle
H. Bürkle, Freiburg
B. Dirk s, Ulm
V. von Dossow, München
L. Eberhart, Marburg
U. Ebmeyer, Magdeburg
M. Fischer, Göppingen
W. Gogarten, München
J. Graf, Frankfurt/Main
S. Grond, Detmold
U. Kaisers, Leipzig
C. Kill, Marburg
U. Klein, Nordhausen
S. Kozek-Langenecker, Wien
P. Kranke, Würzburg
L. Lampl, Ulm
J. Martin, Göppingen
A. Meißner, Soest
C. Nau, Erlangen
J. Pfeff erkorn, Stuttgart
P. Rosenberger, Tübingen
M. Schäfer, Berlin
T. Schnider, St. Gallen
T. Schürholz, Aachen
U. Schwemmer, Neumarkt
T. Standl, Solingen
F. Stüber, Bern
R. Sümpelmann, Hannover
M. Tramèr, Genf
K. Ulsenheimer, München
T. Volk, Homburg/Saar
A. Walther, Stuttgart
F. Wappler, Köln
E. Weis, Nürnberg
Organschaften
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin
Österreichische Gesellschaft für Anaesthesiologie, Reanimation und Intensivmedizin
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Verlag
http://www.thieme-connect.de/ejournals
Das Literaturverzeichnis zum Editorial finden Sie im Internet unter „http://www.thieme-connect.de/ains“ beim Editorial unter „Zusatzmaterial“.
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Literatur
- 1 Schüttler J. Pros und Cons zur Infusionstherapie bei kritisch kranken Patienten in der Intensivmedizin. Anästh Intensivmed 2010; 51: 200-201
- 2 Reinhart K, Brunkhorst FM, Engel C et al. Studienprotokoll der VISEP-Studie. Anaesthesist 2008; 57: 723-728
- 3 Brunkhorst FM, Engel C, Bloos F et al. Intensive insulin therapy and pentastarch resuscitation in severe sepsis. N Engl J Med 2008; 358: 125-139
- 4 Guidet B, Martinet O, Boulain T et al. Assessment of hemodynamic efficacy and safety of 6% hydroxyethylstarch 130/0.4 versus 0.9% NaCl fluid replacement in patients with severe sepsis: The CRYSTMAS study. Crit Care 2012; 16
- 5 Perner A, Haase N, Guttormsen AB et al. Hydroxyethyl starch 130/0.42 versus Ringer's acetate in severe sepsis. N Engl J Med 2012; 367: 124-134
- 6 Myburgh JA, Finfer S, Bellomo R et al. Hydroxyethylstarch or saline for fluid resuscitation in intensive care. N Engl J Med 2012; 367: 1901-1911
- 7 Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Hydroxyethylstärke (HES): Start eines europäischen Risikobewertungsverfahrens. Risikoinformation vom 25.03.2013. http://www.bfarm.de/DE/Pharmakovigilanz/risikoinfo/2013/RI-hes.html?nn=1694416
- 8 Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Hydroxyethylstärke (HES): Empfehlung des PRAC. Risikoinformation vom 24.06.2013. http://www.bfarm.de/DE/Pharmakovigilanz/risikoinfo/2013/RI-hes2.html
- 9 European Medicines Agency (EMA). PRAC recommends suspending marketing authorisations for infusion solutions containing hydroxyethyl starch. Pressemitteilung vom 14.06.2013. http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/news_and_events/news/2013/06/news_detail_001814.jsp&mid=WC0b01ac058004d5c1
- 10 Risk benefit of HES solutions questioned by EMA – Position statement by the Faculty of Intensive Care Medicine, the Royal College of Anaesthetists, the Intensive Care Society and the College of Emergency Medicine. http://www.rcoa.ac.uk/news-and-bulletin/rcoa-news-and-statements/risk-benefit-of-hes-solutions-questioned-ema
- 11 Schortgen F, Lacherade JC, Bruneel F et al. Effects of hydroxyethylstarch and gelatin on renal function in severe sepsis: a multicentrerandomised study. Lancet 2001; 357: 911-916