Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0033-1354016
Wirksamkeit betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention – eine Zusammenstellung der wissenschaftlichen Evidenz 2006 – 2012
Einleitung: Gesundheitsförderung und Prävention haben in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewonnen und sind auch in der Arbeitswelt als Strategie zur Verbesserung der Gesundheit am Arbeitsplatz entdeckt worden. Die eingesetzten Präventionsprogramme und ihre Zielsetzungen sind vielfältig. Im Auftrag der Initiative Gesundheit und Arbeit (Iga) wurde vom Projektbereich Versorgungsepidemiologie am Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE) eine Übersicht über die aktuelle wissenschaftliche Literatur zur Wirksamkeit betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention erstellt. Zielsetzung des Projektes war eine Zusammenstellung der vorhandenen Evidenz aus systematischen Übersichtsarbeiten. Methoden: Analog zu den Vorgänger-Projekten Iga-Report 3 und 13 aus den Jahren 2003 bzw. 2008 erfolgte eine systematische Literaturrecherche in elektronischen Literaturdatenbanken und Internetsuchmaschinen. Neben einfachen Stichworten und komplexen Stichwortkombinationen wurden auch Begriffe zu spezifischen Erkrankungen von Psyche und Muskel-Skelett-System abgefragt. In einem zweistufigen Prozess wurden die identifizierten Publikationen hinsichtlich formaler und inhaltlicher Einschlusskriterien geprüft. Eingeschlossen wurden systematische Übersichtsarbeiten (Reviews oder Meta-Analysen) über arbeitsweltbezogene Maßnahmen, die in internationalen Fachzeitschriften im Zeitraum 2006 – 2012 in Deutscher oder Englischer Sprache veröffentlicht worden sind. Ergebnisse: Insgesamt konnten 74 Übersichtsarbeiten basierend auf über 1825 Einzelstudien eingeschlossen werden, darunter 32 Reviews zu allgemeinen Gesundheitseffekten, 20 zur Prävention psychischer Erkrankungen und 22 zur Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen. Bestandteile von Programmen zur Verbesserung der allgemeinen Gesundheit am Arbeitsplatz waren Maßnahmen zur Förderung von Bewegung, gesunder Ernährung sowie zur Prävention/Reduktion von Tabakrauchen und ungesundem Gewicht. Die Auswertung ergab eine generelle Wirksamkeit von solchen Lebensstil-Interventionen. Eine Verbesserung der Ernährung wurde durch Mitarbeiterschulungen und eine Umgestaltung der Arbeitsumgebung mit gesunden Kantinenangeboten erreicht. Effekte auf gewichtsbezogene Zielparameter konnten durch diese Ernährungsprogramme nicht beobachtet werden. Körperliche Aktivität und Fitness von Mitarbeitern konnten durch betriebliche Programme zur Bewegungsförderung verbessert werden. Am effektivsten waren die aktive Gestaltung von Pausen und Arbeitswegen, Sporteinheiten und der Einsatz von Pedometern. Effekte auf das Gewicht blieben unklar. Betriebliche Interventionen zum Gewichtsmanagement waren am erfolgreichsten wenn sie mehrere Komponenten beinhalteten und zugleich auf Sport, Ernährungsumstellung und organisatorischen Veränderungen basierten. Geeignete Maßnahmen zur Rauchentwöhnung im Arbeitsumfeld waren Einzel- und Gruppenberatungen. Wettbewerbe und finanzielle Anreize zeigten sich als wirksame Strategien zur Erhöhung der Teilnahmerate an Rauchentwöhnungsinterventionen. Der Erfolg der Nikotinentwöhnung wurde dagegen nicht beeinflusst. Weiterhin wurde ein Zusammenhang zwischen Arbeitsumfeld und Rauchverhalten der Mitarbeiter festgestellt. Interventionen zur Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz zeigten eine günstige Beeinflussung von arbeitsbedingten Stress, Burnout und Angstzuständen. Geeignete Interventionsformen waren Stressmanagement, Verhaltenstherapie, Entspannung und kombinierte Ansätze. Daneben wurden ein Ungleichgewicht zwischen Erwartung und Belohnung, hohe Anforderungen, geringe soziale Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte als arbeitsweltbezogene Stressoren mit Auswirkung auf das psychische Wohlbefinden von Mitarbeitern identifiziert. In der Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen waren je nach Lokalisation unterschiedliche Maßnahmen wirksam. Sportprogramme und Schulungen verbesserten Inzidenz und Intensität von Kreuzschmerzen und führten zu einer Reduktion von Beeinträchtigung und Krankentage durch Kreuzschmerzen. Nackenschmerzen wurden am besten durch eine ergonomische Umgestaltung des Arbeitsplatzes reduziert. Die Wirkung von klassischen Rückenschulen und speziellen Krankentransporttechniken konnte nicht bewiesen werden. Die Übersicht zeigt insgesamt positive Effekte auf die Mitarbeitergesundheit und stärkt die Bedeutung der Arbeitswelt als geeignetes Setting für Prävention und Gesundheitsförderung.