Gesundheitswesen 2013; 75 - A213
DOI: 10.1055/s-0033-1354167

WAGE – Wege aus der Beziehungsgewalt – Verbesserung von Angeboten der Täterarbeit für Männer die häusliche Gewalt ausüben

V Amontow 1, F Doherr 1, D Hahn 1, L Herzig 2
  • 1Hochschule Fulda, Fulda
  • 2Hochschule für Angewandte Wissenschaft Hamburg, Hamburg

Hintergrund: Jede vierte Frau erfährt mindestens einmal in ihrem Leben häusliche Gewalt durch ihren Partner (Müller Schröttle 2004). Die Gewaltausübung des Mannes gegenüber der Partnerin ist die universellste und am häufigsten vorkommende Verletzung der Menschenrechte. Maßnahmen die dazu dienen sollen häusliche Gewalt in Europa und Deutschland zu reduzieren, verteilen sich auf drei Bereiche: Täterprogramme, Sensibilisierung der Öffentlichkeit und die Weiterbildung bzw. das Training verschiedener Berufsgruppen (European Commission 2010: 25ff.). Neben Frauen die sich von ihren gewaltausübenden Partnern trennen, gibt es auch Paare, die es schaffen nach der Gewalteskalation ohne wiederholt auftretende Eskalation häuslicher Gewalt weiterhin zusammenzuleben (vgl. Barz/Helfferich 2006). Im Forschungsprojekt WAGE sollten einerseits erfolgreiche Wege für Frauen sich aus einer gewalttätigen Beziehung zu lösen, sowie andererseits Chancen von Täter- und Partnerarbeit für eine gewaltfreie Fortführung der Partnerschaft identifiziert werden. Außerdem sollte untersucht werden, welchen Unterstützungsbedarf Täter und gewaltbetroffene Frauen formulieren und welcher Anpassungsbedarf des psychosozialen Hilfesystems besteht. Hierfür wurden die Perspektiven und Erfahrungen der Täter, der Frauen und der Täter- und Frauenberatungsstellen erfasst und die Ergebnisse der verschiedenen Sichtweisen miteinander verknüpft. In diesem Vortrag sollen die Ergebnisse hinsichtlich der Täter und Optimierungsbedarf sowie -möglichkeiten bei der Täterarbeit vorgestellt werden. Methode: Dem Projekt WAGE lag ein qualitatives Forschungsdesign zugrunde. Zur Datenerhebung wurden u.a. leitfadengestützte Experteninterviews mit Mitarbeitern der Täterberatungsstellen und Leitfadeninterviews mit gewalttätigen Männern geführt. Die Auswertung der Daten erfolgte nach der Methode der Grounded Theory. Ergebnisse: Die Auswertung der vorliegenden Interviews ergab, dass der Zugang durch justizielle Weisung, proaktiven Ansatz und auch durch Eigeninitiative von Männern erfolgt. Erreicht werden hauptsächlich Täter, die situative Gewalt ausüben. Männer bei denen die Gewaltart „intimate terrorism“ gegeben ist und Männer mit hohem sozioökonomischem Status finden sich fast gar nicht in der Beratung. Hinderlich bei der Erreichbarkeit und Inanspruchnahme der Täterarbeit sind u.a. fehlendes Wissen der Täter über Angebot und Inhalt der Täterarbeit, mangelnde Einsicht, das negative Image der Täterberatung in der Gesellschaft und das erschwerte Auffinden von Angeboten beispielsweise im Internet. Um den Zugang zur Täterberatung zu erleichtern ist eine Imageänderung dahingehend notwendig, dass die Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten als normal angesehen wird und sich Täterouten können, ohne dass sie stigmatisiert werden. Die Angebote der Täterarbeit, vor allem die Gruppenangebote, wurden als wesentlich beim Prozess der Verhaltensänderung beschrieben. Als problematisch erwies sich die unsichere und geringe Finanzierung, weshalb unklar war, ob und wie lange bestehende Angebote weiterhin durch die Beratungsstellen angeboten werden können. Des Weiteren gaben die Täterberater an, dass sie sich eine stärkere Vernetzung mit anderen Berufsgruppen, wie beispielsweise mit der Polizei oder Jugendamt wünschen. Schlussfolgerungen: Verbesserungsbedarf besteht beim Zugang zu Täterprogrammen, dem negativen Image der Täterberatungsstellen und bei der Sensibilisierung der Öffentlichkeit hinsichtlich der Thematik der häuslichen Gewalt. Außerdem ist eine nachhaltige Gestaltung der Angebote notwendig, bei der eine stärkere Vernetzung und sichere Finanzierung erfolgen muss.