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DOI: 10.1055/s-0033-1355225
Gelesen und kommentiert
Publication History
Publication Date:
16 September 2013 (online)
Computerassistierte kognitive Rehabilitation von Aufmerksamkeitsdefiziten bei MS
Zusammenfassung der Studie
Ziele
Das Ziel der Studie war es, die Wirkung einer computerassistierten kognitiven Rehabilitation auf Aufmerksamkeitsdefizite bei Patienten mit Multipler Sklerose zu evaluieren.
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Methodik
Patienten
Die Forscher nahmen aus einer ersten Kohorte mit 117 Patienten insgesamt 26 Patienten mit Multipler Sklerose nach folgenden Kriterien in die Studie auf:
Einschlusskriterien: keine schweren kognitiven Einschränkungen, dagegen Aufmerksamkeitsdefizite, und/oder Defizite in der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und/oder im Arbeitsgedächtnis oder in exekutiven Funktionen, Expanded Disability Status Scale (EDSS) Punktzahl von null bis vier und optimales Sehvermögen.
Ausschlusskriterien: andere zusätzliche kognitive Einschränkungen in anderen Domänen wie Sprache, verbales und räumliches Gedächtnis, klinische Schübe und Steroidbehandlung in den letzten vier Wochen, medikamentöse antidepressive Behandlung oder psychoaktive Medikation, psychiatrische Probleme in der Vergangenheit.
13 Patienten wurden in die kognitive Interventionsgruppe und 13 Patienten in die Kontrollgruppe randomisiert – geschichtet nach Alter und Bildungsniveau.
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Design
Es handelt sich um eine randomisierte kontrollierte Studie.
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Interventionen
Die Patienten der kognitiven Interventionsgruppe erhielten zweimal die Woche über sechs Wochen eine einstündige Sitzung. Inhalt dieser Sitzung war ein computerassistiertes kognitives Übungsprogramm zur Verbesserung von Aufmerksamkeitsdefiziten und der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit. Genutzt wurde dazu die Software RehaCom (www.Schuhfried.at). Das Behandlungsprogramm in dieser Studie bestand aus Ansätzen/Programmen zur Behandlung „geteilter Aufmerksamkeit“, „Aufmerksamkeit und Konzentration“ und „Wachsamkeit“.
Die Patienten der Kontrollgruppe erhielten für den gleichen Zeitraum in gleicher zeitlicher Intensität und gleichem Umfang eine Art Computerspiel bei dem, unter Steigerung der Geschwindigkeit, Zahlen auf dem Bildschirm erschienen, welche beim Auftauchen mit der Tastatur eingegeben werden mussten.
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Ergebnisparameter
Alle Patienten wurden vor und nach den sechs Wochen Intervention verblindet mit einer Serie neuropsychologischer Testverfahren untersucht. Insbesondere nutzte man die Brief Repeatable Battery (BRB) of neuropsychological tests. Diese Testbatterie enthielt folgende Tests: den Selective Reminding Test (SRT), den 10/36 Spatial Recall Test (SPART), den SDMT, eine Wörterlistengenerierung und den PASAT.
Für die Messung von Aufmerksamkeitsdefiziten und exekutiven Funktionen wurde zusätzlich noch der Stroop Test und die Trial Making Test form A-B20 (A und B) genutzt.
Ferner wurden zur Beurteilung des Zusammenhangs kognitiver und struktureller Hirnveränderungen funktionelle Kernspinaufnahmen (fMRT) angefertigt und ausgewertet.
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Ergebnisse
Zu Beginn der Studie unterschieden sich die Gruppen hinsichtlich wichtiger demografischer und klinischer Variablen nicht signifikant. Die Interventionsgruppe erreichte (tendenziell) bessere Ergebnisse als die Kontrollgruppe in allen Tests, allerdings gab es lediglich im Stroop Test statistisch signifikante Vorteile zugunsten der Versuchsgruppe (Effektgröße=0,88; p=0,007). Im fMRT zeigte sich ein Zusammenhang zwischen den erreichten Verbesserungen im Stroop Test und der Aktivierung im rechten posterioren zerebralen Lobulus und linken superioren parietalen Lobulus.
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Schlussfolgerung
Die Autoren schlussfolgern, dass ein computerassistiertes kognitives Programm Aufmerksamkeitsdefizite und Neuroplastizität bei Patienten mit Multipler Sklerose positiv beeinflussen kann.
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Kommentar
Die beschriebene Studie deutet darauf hin, dass sich kognitive Leistungen durch ein aufgabenspezifisches Training bei Patienten verbessern lassen könnten. Das gilt jedoch nur für spezielle kognitive Leistungen bzw. Aufmerksamkeitsleistungen wie Reaktionsvermögen auf visuelle Stimuli, die insbesondere im Stroop Test gemessen werden. Über 90 % der Testverfahren zu kognitiven Leistungen in dieser Studie erreichten jedoch weder Signifikanzniveau noch moderate bis hohe Effektstärken. Nur eine abhängige Variable von 15 untersuchten war statistisch signifikant (Stroop Test).
Die auf hohem methodischen Niveau und sehr aufwendig durchgeführte Studie ist wahrscheinlich mit einer Größe von 26 Probanden einerseits zu klein, andererseits ist der Unterschied in den Interventionen eventuell auch nur gering. Dazu kommt, dass die Autoren ihr sechswöchiges Programm mit zweimal die Woche eine Stunde Training als intensiv bezeichnen. Eine Intensität, die wohl sicher noch erhöht werden könnte. Dosis-Wirkungs-Beziehungen zwischen der Intensität des Trainings und dem Effekt wären daher wünschenswert.
Die Autoren konnten Hirnveränderungen mit Leistungsverbesserungen assoziieren. Das Ergebnis ist zwar nicht sehr überraschend, aber ein weiterer Beleg dafür, dass sich Plastizität durch Training beeinflussen lässt und technisch quantifizierbar ist.
Die Studie ist vor allem dadurch sehr interessant, da sich beim oben beschriebenen Nutzen der Interventionsaufwand sehr gering hält (PC und Software). Sicherlich handelt es sich um einen zukunftsträchtigen Ansatz, der gerade im ambulanten Bereich demnächst noch weiter verbreitet werden dürfte.
Fazit: Die besprochene Studie zeigt, dass sich Aspekte kognitiver Leistungen wie Aufmerksamkeit mit einem auf das Defizit zugeschnittenen PC-Training (und relativ geringem Aufwand) positiv beeinflussen lassen.
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