Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2013; 48(9): 518-523
DOI: 10.1055/s-0033-1355230
Fachwissen
Anästhesiologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Postoperative Wundinfektionen – Mythen und Fakten im OP

Myths and facts in the operating theatre
Sebastian Lemmen
,
Karl Lewalter
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Publikationsdatum:
18. September 2013 (online)

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Postoperative Wundinfektionen gehören zu den häufigsten nosokomialen Infektionen. Strategien zur Vermeidung dieser nosokomialen Infektionen kommt daher höchste Bedeutung zu. Evidenzbasierte Maßnahmen, wie z.B. Händehygiene, Sanierung einer Kolonisation mit S. aureus, Surveillance, die korrekte Gabe einer perioperativen Prophylaxe oder die Vermeidung einer scharfen Rasur, sind in nationalen und internationalen Empfehlungen aufgelistet. Daneben existieren aber auch zahlreiche Mythen und Traditionen, wie z.B. die Fortführung einer antibiotischen Prophylaxe über mehrere Tage oder Hygienerituale im septischen OP. Diese Maßnahmen sind nicht sinnvoll und sollten nicht mehr angewendet werden. Die Zusammenfassung von effektiven Einzelmaßnahmen als Bündel ist sinnvoll, die Compliance mit den Einzelmaßnahmen sollte dabei regelmässig überprüft werden. Nur die konsequente Anwendung von evidenzbasierten und effektiven Maßnahmen ist infektionspräventiv.

Surgical site infections are the most common nosocomial infections. Strategies to prevent these infections are crucial. Evidence based measures like hand hygiene, treatment of nasal carriage of S. aureus, surveillance, prophylactic application of antibiotics or hair removal with electric clippers are listed in national and international guidelines. Beside these measures several myths and traditions like the application of antibiotic prophylaxis for several days or hygienic rituals in a septic operating theatre still exist. These measures are not helpful and should not be used any more. It is helpful to include effective measures in a bundle, the compliance with the bundle should be monitored regularly. Only the consequent implementation of evidence based and effective measures can help to prevent surgical site infections.

Kernaussagen

  • Postoperative Wundinfektionen sind die häufigsten nosokomialen Infektionen mit dramatischen Konsequenzen für die betroffenen Patienten und die behandelnden Ärzte.

  • Evidenzbasierte Maßnahmen zur Vermeidung postoperativer Wundinfektionen sind sowohl in nationalen (KRINKO) als auch internationalen Empfehlungen (CDC) dargestellt; diese müssen durch aktuelle Literatur erweitert werden.

  • Durch eine Surveillance, z. B. OP-KISS, kann eine Reduktion postoperativer Wundinfektionen um bis zu 25 % erreicht werden. Die Teilnahme an einer Surveillance ist durch § 23 des Infektionsschutzgesetzes gefordert.

  • Wichtige Maßnahmen mit hoher Evidenz umfassen z.B. die präoperative Sanierung von Infektionen oder einer S.-aureus-Kolonisation, die Vermeidung einer scharfen Haarrasur, adäquate Hautdesinfektion sowie die korrekte Gabe einer perioperativen Prophylaxe.

  • Die Durchführung einer Händehygiene nach den Vorgaben der „Aktion Saubere Hände“ ist auch für das Anästhesiepersonal besonders vor der Durchführung aseptischer Tätigkeiten wichtig.

  • Die Compliance mit der Händehygiene kann durch Beobachtung und Optimierung des Arbeitsablaufs deutlich gesteigert werden.

  • Die Zusammenfassung effektiver Einzelmaßnahmen als Bündel ist sinnvoll; deren Einhalten sollte wiederholt in Compliancebeobachtungen überprüft werden.

  • Die Bedeutung der Luft als Vektor von Bakterien und somit als Quelle von Wundinfektionen wird überschätzt; die Studienergebnisse rechtfertigen nicht den Einbau und die damit verbundenen hohen Kosten einer LAF- oder TAV-Anlage. Mythen wie eine präoperative CRP-Sanierung, die Fortführung einer antibiotischen Prophylaxe über mehrere Tage oder Hygienerituale im septischen OP sind nicht sinnvoll und sollten abgeschafft werden.

  • Die konsequente Anwendung evidenzbasierter und effektiver Maßnahmen ist infektionspräventiv.

Ergänzendes Material