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DOI: 10.1055/s-0033-1357969
Indikationen zur dreidimensionalen Röntgendiagnostik in der oralen Implantologie
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
30. Juli 2014 (online)


Einleitung
Seit der ersten Beschreibung 1998 durch Mozzo et al. hat sich die dentale Volumentomografie (DVT) als wichtiges Hilfsmittel zur Diagnostik und Behandlungsplanung in der Zahnmedizin etabliert [1]–[3].
Anwendungen sind bei der Indikationsstellung der Endodontie, dentalen Traumatologie, Wurzelspitzenresektionen problematischer parodontaler Knochendefekte, aber auch der präoperativen Planung von Furkationschirurgie und für die dentale Implantatchirurgie beschrieben worden [4]–[14].
Vorteile dreidimensionaler Schnittbildverfahren
Die präimplantologische Diagnostik beinhaltet die umfassende Beurteilung des dentoalveolären Kieferkamms. Standardmäßig wird heutzutage neben der klinischen Untersuchung sowie einer detaillierten Modellanalyse meist eine zweidimensionale, extraorale Übersichtsdarstellung wie die Panoramaschichtaufnahme mit Messreferenzen verwendet.
Diagnostische Detailinformationen beeinflussen die klinische Entscheidung auf direktem Wege, dabei führen moderne hochauflösende dreidimensionale Röntgenverfahren wie die dentale Volumentomografie zu einer verbesserten Behandlungsentscheidung und damit besser vorhersagbaren Ergebnissen. Insbesondere der Wegfall störender Überlagerungen und Verzerrungen, wie sie bei konventionellen 2-D-Verfahren aufgrund der Projektionsgeometrie auftreten, sorgt für einen deutlichen diagnostischen Mehrwert (Abb. [1]).



Merke: Insbesondere auf dem Gebiet der präimplantologischen Diagnostik hat die dreidimensionale Bildgebung heutzutage eine wichtige Stellung eingenommen.
Neben einer genauen Kenntnis der anatomischen Voraussetzungen steht die optimale Nutzung von vorhandenem Knochenmaterial im Mittelpunkt, um auf diese Weise eventuell notwendige augmentative Therapiemaßnahmen sicher planen und wichtige anatomische Nachbarstrukturen schonen zu können.
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Technik der DVT
Anders als bei der CT werden bei der DVT die Bilddaten nicht als Schichten, sondern in Form eines Kegelvolumens erfasst, daher wird diese Technik in der englischsprachigen Literatur auch Cone-beam CT (CBCT) oder Cone-beam Volume Tomography (CBVT) genannt. Im Gegensatz zur DVT besitzen CT-Datensätze keine perfekte Würfelgeometrie (anisotrope Voxel), folglich sind Messungen über mehrere Schichten hinweg aufgrund der notwendigen mathematischen Interpolation in ihrer Präzision vergleichsweise etwas ungenauer. Bei der DVT ermöglichen resultierende Voxel mit gleicher Kantenlänge (isotrope Voxel) eine präzise isometrische Ortsauflösung in allen 3 Dimensionen des Raumes. Die Röntgenstrahlung wird bei der DVT nicht kontinuierlich appliziert, sondern „gepulst“. Das bedeutet, dass die Röntgenstrahlen in einzelnen „Schüssen“ abgegeben werden. Diese dauern nur wenige Millisekunden und ergeben multipliziert mit der Anzahl der Einzeldurchleuchtungen die gesamte Expositionszeit.
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Vergleich zur klassischen Computertomografie (CT)
Im Vergleich zur konventionellen CT bietet die DVT im Rahmen der Hartgewebediagnostik von Zähnen und Knochenstrukturen des Kieferbereiches eine höhere Ortsauflösung und somit eine bessere diagnostische Grundlage [15]–[21] bei gleichzeitig niedrigerer Strahlenbelastung.
Merke: Insgesamt bleibt festzustellen, dass die DVT im Vergleich zur CT systembedingt erhöhtes keine klassische Hounsfield-Skalierung aufweist.
Derzeit kann im Hinblick auf die Bildqualität keinem der beiden bildgebenden Verfahren ein genereller Vorzug gegeben werden. Eine Überlegenheit eines der beiden Verfahren für die dentale Implantologie ist bisher nicht belegt. Konventionelle CT-Verfahren finden im Rahmen elektiver zahnmedizinischer Fragestellungen ohnehin nur sehr begrenzt Anwendung, da die vergleichsweise höheren Dosisprotokolle und die (i. d. R. durch den Hausarzt zu erfolgende) notwendige Überweisung des Patienten zum Radiologen den täglichen Einsatz für den zahnärztlichen Behandler mitunter wenig praktikabel gestalten.
Indikationen für CT und MRT
In diesem Zusammenhang soll jedoch nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Diagnostik von Weichgewebspathologien im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich nach wie vor Verfahren wie der CT oder der Magnetresonanztomografie (MRT) vorbehalten sind [22].
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Strahlenexposition
Die effektive Dosis – berechnet nach den ICRP-Gewichtungsfaktoren von 2007 – schwankt zwischen den untersuchten Systemen beträchtlich, sie liegt zwischen 13 µSv und 1073 µSv [16]–[21]. Im Vergleich dazu liegen Panoramaschichtaufnahmen zwischen 10 und 20 µSv, ein konventioneller intraoraler Einzelzahnfilmstatus wird mit 33–84 mSV in Abhängigkeit der verwendeten Einstellungsparameter angegeben [15]–[21]. Hieraus ergibt sich, dass die Dosis einer dentalen Volumentomografie einerseits durchaus in der Größenordnung eines intraoralen Einzelzahnfilmstatus (mit bis zu 14 Einzelzahnaufnahmen) liegen kann und im direkten Vergleich einen weitaus höheren Informationsgehalt bietet [15]–[21]. Andererseits bleibt festzuhalten, dass die effektive Dosis bei der DVT im Vergleich zur herkömmlichen Computertomografie im Mittel erheblich reduziert ist [16]–[21]. Bei Kindern und Jugendlichen ist jedoch auf eine besonders sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung hinzuweisen, da diese Patientengruppe ein erhöhtes Risiko von Folgeschäden nach Exposition mit ionisierender Strahlung aufweisen [15].
Merke: Die Strahlenbelastung eines DVT kann je nach Untersuchungsprotokoll in der Größenordnung eines Einzelfilmstatus zu liegen kommen; dabei hat die DVT einen vergleichsweise deutlich höheren Informationsgehalt.
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Rechtliche Grundlagen
Vor Anfertigung einer DVT-Aufnahme ist und bleibt es ausdrückliche Pflicht des ärztlichen bzw. zahnärztlichen Behandlers und Inhabers einer gültigen DVT-Fachkunde, die rechtfertigende Indikation unter Berücksichtigung des sogenannten ALARA-Prinzips (as low as reasonably achievable) zu prüfen, um die Röntgenstrahlung am Patienten zu minimieren [16]. Mit Hinblick auf Strahlenschutz und Dosisreduktion gilt auch für die DVT die maximal mögliche Einblendung des Nutzstrahlenbündels, d. h. die Eingrenzung des resultierenden Untersuchungsvolumens (Field-of-View, FOV) auf die interessierende anatomische (Teil-) Region [23]. Darüber hinaus muss die rechtfertigende Indikation durch den betreuenden Arzt vor Ort persönlich gestellt werden.
Merke: Bei Strahlendiagnostik gilt das sog. ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable)!
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Indikationen für eine röntgenologische Diagnostik
Vor jeder Implantatinsertion muss eine suffiziente röntgenologische Diagnostik des ortsständigen knöchernen Implantatlagers erfolgen, um eine quantitative und qualitative Beurteilung des Knochenangebots durchzuführen sowie die angrenzenden anatomischen Strukturen zu beurteilen [24]. Nach eingehender Anamnese und klinischer Untersuchung kann bei deutlichen anatomischen Abweichungen von der Norm eine Indikation zur dreidimensionalen bildgebenden Diagnostik gegeben sein, sofern vermutlich eine detaillierte räumliche Beurteilung der Morphologie, der anatomischen Strukturen und der eventuell vorliegenden pathologischen Veränderungen im Kieferknochen mittels initialer zweidimensionaler röntgenologischer Diagnostik keinen ausreichenden Informationsgehalt bietet.
Aufgrund fehlender randomisierter/kontrollierter Studien hinsichtlich des Nutzens dreidimensionaler Diagnostik in der Implantologie soll unter Berücksichtigung der überwiegend experimentellen Studien an dieser Stelle auf eine konsensusgestützte Leitlinie (S2k) der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) verwiesen werden [25].
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Deutliche anatomische Abweichungen in der sagittalen und/oder transversalen und/oder vertikalen Ebene in Form und/oder Kieferrelation (z. B. reduziertes transversales Knochenangebot, unter sich gehende Alveolarfortsatzbereiche, extreme Atrophie im Unterkieferseitenzahnbereich, Kieferhöhlensepten)
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bei zweifelhaftem Erfolg nach Augmentation
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unsichere Darstellung anatomisch wichtiger Nachbarstrukturen in der 2-D-Diagnostik (z. B. keine klare Abgrenzung des Mandibularkanals oder der Nachbarzähne), sofern mit der 3-D-Diagnostik eine Klärung zu erwarten ist
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in konventioneller Diagnostik aufgefallene pathologische Veränderungen mit weitergehendem Abklärungsbedarf (z. B. V. a. Zysten, Neoplasien, odontogene Prozesse, Osteopathien)
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Vorerkrankungen oder Voroperationen der Kieferhöhle mit möglichem Einfluss auf die Implantatversorgung im Oberkieferseitenzahnbereich (z. B. Sinusitiden)
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spezielle chirurgische und/oder prothetische Therapiekonzepte (z. B. Sofortversorgung, navigationsgestützte Implantologie, komplexe interdisziplinäre Therapiekonzepte)
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Komplikation nach Implantation oder Augmentation (z. B. Nervverletzung, Nachbarzahnwurzelverletzung)
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