Transfusionsmedizin 2014; 4(4): 197-207
DOI: 10.1055/s-0033-1358024
CME-Fortbildung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die immungenetische Spenderauswahl für die unverwandte Stammzelltransplantation

D. Fürst
1   Institut für Transfusionsmedizin, Universität Ulm
2   Abteilung Transplantationsimmunologie, Institut für klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm
,
H. Schrezenmeier
1   Institut für Transfusionsmedizin, Universität Ulm
2   Abteilung Transplantationsimmunologie, Institut für klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm
,
J. Mytilineos
1   Institut für Transfusionsmedizin, Universität Ulm
2   Abteilung Transplantationsimmunologie, Institut für klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
21. November 2014 (online)

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Zusammenfassung

Die Blutstammzelltransplantation hat sich zu einem etablierten Therapieverfahren für eine Vielzahl von angeborenen oder erworbenen Erkrankungen des hämatopoetischen Systems entwickelt. Dies spiegelt sich in kontinuierlich steigenden Fallzahlen vor allem im Bereich der unverwandten Stammzelltransplantation wider. Begünstigende Faktoren für diese Entwicklung sind einerseits die zunehmende Zahl an freiwilligen Stammzellspendern weltweit, die es ermöglichen, für eine kontinuierlich steigende Zahl von Patienten einen geeigneten Spender zu identifizieren. Andererseits machen Verbesserungen im Bereich der Behandlungsverfahren wie z. B. die dosisreduzierte Konditionierung oder die molekulargenetische hoch aufgelöste HLA-Typisierung (HLA: humanes Leukozytenantigen) die Blutstammzelltransplantation sicherer, sodass klinisch die Indikation häufiger gestellt werden kann. Rund 3000 Suchen nach einem unverwandten Stammzellspender werden in Deutschland aktuell pro Jahr durchgeführt. Dabei stellt die Patientengruppe der über 60-Jährigen die anteilmäßig am stärksten wachsende Altersgruppe dar. Hauptindikationen sind nach wie vor akute Leukämieformen. Hauptstammzellquelle sind periphere Blutstammzellen mit einem Anteil von über 85 % gegenüber Knochenmark. Nabelschnurblut spielt in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle.

Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der Blutstammzelltransplantation ist die HLA-Kompatibilität zwischen Patient und Spender, wobei nach aktuellem Konsensus eine Kompatibilität auf Allelebene an den Genorten HLA-A, -B, -C, -DRB1 und -DQB1 angestrebt wird (10/10-Kompatibilität). HLA-Inkompatibilitäten führen zu einer erhöhten transplantationsassoziierten Mortalität, insbesondere infolge von GvHD-assoziierten (GvHD: Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion) Komplikationen. Dies resultiert in reduziertem Gesamtüberleben und überwiegt definitiv einen möglicherweise günstigen Einfluss auf ein Rezidiv der Grunderkrankung im Sinne eines GvL-Effekts (GvL: Transplantat vs. Leukämie). Der Einfluss individueller Inkompatibilitäten auf den Erfolg der Stammzelltransplantation hängt von der tatsächlich vorliegenden Allelkombination am respektiven Genort ab. Als gesichert gilt, dass das Risiko zu versterben mit steigender Anzahl an HLA-Inkompatibilitäten kumulativ zunimmt. Daher werden Spender mit mehr als 2 HLA-Inkompatibilitäten für die unverwandte Blutstammzelltransplantation praktisch nicht akzeptiert. Liegen einzelne Inkompatibilitäten (9/10) vor, sind an den Genorten HLA-A, -B, und -DRB1 Allel- und Antigeninkompatibilitäten als gleichermaßen ungünstig zu bewerten. Für HLA-C sind Antigeninkompatibilitäten mit erhöhtem Risiko assoziiert. Dies konnte für HLA-C-Allel-Inkompatibilitäten bisher nicht gezeigt werden und geht möglicherweise auf das Vorhandensein permissibler Allelkombinationen (gezeigt für HLA-C*03:03/03:04) zurück.

Auch für HLA-DQB1-Inkompatibilitäten konnte bisher kein eindeutig signifikanter Einfluss auf das Überleben nach Stammzelltransplantation gezeigt werden, jedoch gibt es Hinweise aus einer deutschen Kohorte, wonach HLA-DQB1-Antigen-Inkompatibilitäten, nicht jedoch HLA-DQB1-Allel-Inkompatibilitäten möglicherweise mit einem erhöhten Risiko assoziiert sind und nach Möglichkeit zu vermeiden wären. Klarheit werden Studien mit größeren Fallzahlen bringen. Weiterhin ist davon auszugehen, dass zusätzliche Loci im erweiterten HLA-Bereich (z. B. HLA-DPB1, HLA-DRB*345, MICA) sowie Spender-KIR-Gene (KIR: Killercell Immunoglobulin-like Receptor) für die Histokompatibilitätstestung im Rahmen der Spendersuche für die unverwandte Blutstammzelltransplantation in Zukunft relevant werden.