Frauenheilkunde up2date 2014; 8(6): 409-428
DOI: 10.1055/s-0033-1358055
Gynäkologische Spezialgebiete und Methoden
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Plastische Rekonstruktionen der Mamma mittels Fremdgewebe

Claudia Rauh
,
Charlotte S. Sell
,
Christian R. Löhberg
,
Sebastian M. Jud
,
Mayada R. Bani
,
Michael G. Schrauder
,
Matthias W. Beckmann
,
Michael P. Lux
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
08. Dezember 2014 (online)

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Einleitung

Trotz der steigenden Rate an brusterhaltenden Therapien ist dennoch bei zahlreichen Patientinnen mit einem primären Mammakarzinom eine Mastektomie erforderlich. Dazu steht heute eine Vielzahl an operativ-rekonstruktiven Verfahren zur Verfügung, welche eine individualisierte Therapie ermöglichen.

Der Gewinn an Lebensqualität und dem wichtigen Gefühl der körperlichen Integrität und Unversehrtheit gehört für unzählige Frauen zu den herausragenden Erfolgen der operativen Gynäkologie bzw. Senologie. So wird in der interdisziplinären S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms empfohlen: „Jede Patientin, bei der eine Mastektomie durchgeführt werden soll, soll über die Möglichkeit einer sofortigen oder späteren Brustrekonstruktion bzw. den Verzicht auf rekonstruktive Maßnahmen aufgeklärt werden“ [1].

In dem Maß, in dem immer mehr Erfahrungen mit brusterhaltenden und alternativ-rekonstruktiven Techniken gewonnen wurden, hat sich während der letzten 20 Jahre auch das Spektrum der komplexen senologischen Onkochirurgie erheblich erweitert. Onkochirurgische, onkoplastische und rekonstruktive Eingriffe an der Brust bzw. Brustwand können grundsätzlich entsprechend ihrer operativen Komplexität klassifiziert werden. Ausgehend von einem existierenden Schema, das in der Universitätsfrauenklinik Tübingen zur Standardisierung von OP-Berichten eingesetzt wird, wurde eine neue Klassifikation für ablative und brusterhaltende OP-Verfahren entwickelt und systematisch ausgearbeitet (s. Tab. [1]) [2].

Tabelle 1 Klassifikation ablativer und brusterhaltender Operationsverfahren bei Patientinnen mit einem Mammakarzinom unter onkologischen, onkoplastischen und rekonstruktiven Gesichtspunkten nach Komplexitätsgraden 1–6 (Tübinger Konzept) [3].

Mammakarzinomoperationen

Komplexitätsgrad

ablativ

brusterhaltend

onkologisch

1

einfache (modifiziert radikale) Exzision ohne Rekonstruktion

einfache Exzision (direkte Adaptation) bis zur Quadrantektomie, Defektdeckung ohne Mobilisationen

2

komplexe (radikale) Mastektomie ohne Rekonstruktion

komplexe Operation plus intramammäre Drüsenkörperrekonstruktion, kleinflächige Mobilisationen, Defektdeckung durch Mobilisation ≤ 25 %

onkoplastisch (primär rekonstruktiv)

oder

(sekundär) rekonstruktiv

3

onkoplastische oder rekonstruktive Mammakarzinomoperation mit Prothesenrekonstruktion

onkoplastische bzw. rekonstruktive Mammakarzinomoperation mit Hautresektion, Rezentrierung, glanduläre Lappenplastiken, weitflächige Mobilisation, Defektdeckung durch Mobilisation > 25 %

4

komplexe onkoplastische oder rekonstruktive Mammakarzinomoperation mit lokaler Lappenplastik

tumoradaptierte Lifting-Operationen mit komplexen Umschneidungsfiguren – tumoradaptierte Mastopexie – oder Tumorresektion mit Defektdeckung über lokale Lappenplastik

5

komplexe onkoplastische oder rekonstruktive Mammakarzinomoperation mit gestielter Fernlappenplastik: LDF, TRAM-Flap

komplexe onkoplastische bzw. rekonstruktive Mammakarzinomoperation mit zusätzlicher Resektion (Reduktion) von Brustdrüsengewebe – tumoradaptierte Reduktionsplastik

6

komplexe onkoplastische bzw. rekonstruktive Mammakarzinomoperation mit freier Lappenplastik und mikrovaskulärem Gefäßverschluss: DIEP, SIEA, S-GAP, free-TRAM

komplexe onkoplastische bzw. rekonstruktive Mammakarzinomoperation mit Defektdeckung über gestielte (LDF, TRAM-Flap) oder freie (z. B. DIEP, SIEA, S-GAP) Fernlappenplastiken ggf. mit mikrovaskulärem Gefäßanschluss

Das System unterscheidet 2 Typen und 6 Klassifikationen, aufgeteilt in 12 Hauptkategorien, 13 Subkategorien und 39 Subsubkategorien von onkologischen, onkoplastischen und rekonstruktiven Eingriffen an der Brust [2], [3]. Auf die wesentlichen Verfahren mit ihren neuen Methoden wie auch die entsprechenden Indikationen wird in der vorliegenden Übersichtsarbeit näher eingegangen.