Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 9(2): 88-94
DOI: 10.1055/s-0033-1358115
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schwangerenbetreuung bei Drogenkonsum[*]

Georgine Huber
,
Birgit Seelbach-Göbel
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Publikationsdatum:
21. April 2015 (online)

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Einleitung

In Deutschland gibt es keine genaue statistische Erfassung über die Anzahl schwangerer Frauen, die illegale Substanzen konsumieren. Es wird vermutet, dass pro Jahr ca. 3 von 1000 geborenen Kindern eine Mutter mit polyvalentem Drogenkonsum haben [1]. Der ausdrückliche Hinweis im Suchtbericht der Bundesregierung 2012 über die ärztliche Beratungspflicht zum Thema „Genussmittel in der Schwangerschaft“ lässt die Sorge über eine höhere Dunkelziffer in Deutschland vermuten und zeigt die Wichtigkeit der Frage nach dem Konsumverhalten der Schwangeren [2], [3].

Hohe Dunkelziffer. Bereits im Jahr 2011 wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss eine Änderung der Mutterschaftsrichtlinien vorgenommen und im Mutterpass die ärztliche Frage nach konsumierten Genussmitteln mit der Ergänzung „Alkohol, Tabak und andere Drogen“ konkretisiert. In den USA ergab der National Survey on Drug Use and Health 2010, dass 4,4 % der Schwangeren im Monat vor der Befragung Drogen konsumiert hatten [4]. Sowohl amerikanische als auch in Europa durchgeführte Studien bestätigen die Problematik der deutlich höheren Dunkelziffern: Lester et al. konnten im Mekonium Neugeborener in 10,5 % der Fälle illegale Drogen nachweisen, 38 % der positiv getesteten Mütter hatten den Drogenkonsum jedoch verneint [5]. In einer englischen Untersuchung wurden bei 10,7 % Schwangerer Drogen nachgewiesen, alle Frauen hatten den Konsum abgestritten [6]. Ursächlich für dieses Verhalten ist nicht nur die Furcht vor Stigmatisierung, sondern auch die Angst vor den möglichen rechtlichen Folgen, wie z. B. der Inobhutnahme des Kindes durch das Jugendamt.

Intensive Betreuung notwendig. Gerade wegen der multiplen Substanzwirkung des meist vorliegenden Mischkonsums aus legalen und illegalen Drogen ist eine intensive suchttherapeutische Betreuung der Mutter sowie eine engmaschige Schwangerenvorsorge für diese Risikoschwangerschaften notwendig [7], [8]. Eine enge Zusammenarbeit zwischen betreuendem Gynäkologen und dem Hilfesystem aus substituierendem Arzt, ambulanten/stationären Therapieeinrichtungen, Geburtsklinik mit Hebamme und Pädiatrie, koordinierenden Kinderschutzstellen und Jugendamt trägt zur Risikoreduktion für Mutter und Kind bei und wird deshalb von Expertenkomitees einstimmig gefordert [9]–[11]. Die vorliegende Arbeit möchte Gynäkologen, Geburtshelfern und Neonatologen eine Hilfestellung für die komplexe peripartale Betreuung suchtkranker Frauen geben.

* Mod. nach Erstpublikation in: Z Geburtshilfe Neonatol 2014; 218: 142–148