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DOI: 10.1055/s-0033-1358143
Präklinische Akutbehandlung von Wirbelsäulenverletzungen
Publication History
Publication Date:
14 July 2015 (online)
Bedeutung der Wirbelsäulenverletzung in der Präklinik
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Die Folgen einer Wirbelsäulenverletzung können für den Patienten schwerwiegend sein.
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Rund 3 % der Verunfallten ziehen sich eine Wirbelsäulenverletzung zu. Davon weisen wiederum 20 % eine Rückenmarkläsion mit Querschnittlähmung auf.
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Hauptursache der Wirbelsäulentraumata im Bundesgebiet sind Verkehrsunfälle.
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Besonders polytraumatisierte Patienten weisen häufig Schädigungen der Wirbelsäule auf.
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Die Koinzidenz spinaler Schädigungen mit Verletzungen der Extremitäten, des Thorax und mit dem Schädel-Hirn-Trauma gilt als erhöht.
Entstehung, Klassifikation und Pathophysiologie der Wirbelsäulenverletzung
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Man unterscheidet 3 Hauptverletzungsmechanismen: Kompressions-, Distraktions- und Rotationsverletzungen mit zunehmender Instabilität der daraus resultierenden Wirbelkörperbrüche.
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Jede akute Rückenmarkschädigung ist ein medizinischer Notfall. Lebensbedrohliche Störungen im kardiovaskulären und pulmonalen Bereich können jederzeit auftreten und bedürfen einer intensiven Überwachung.
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Der spinale Schock beschreibt das klinische Bild der initialen Phase einer Rückenmarkschädigung mit Areflexie und schlaffen Lähmungen unterhalb der Läsion.
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Der neurogene Schock ist ein distributiver Schock mit schwerwiegenden kardiovaskulären Störungen durch Bradykardie und generalisierte Vasodilatation mit relativer Hypovolämie aufgrund fehlender sympathischer Regulation bei Schädigung des zervikalen oder oberen thorakalen Rückenmarks.
Präklinisches Management der Wirbelsäulenverletzung
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Die initiale Diagnostik und Therapie aller Traumapatienten sollte anhand des ABCDE-Schemas erfolgen. Parallel sollte eine manuelle Immobilisation der Halswirbelsäule erfolgen.
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Bei den notwendigen Maßnahmen wie z. B. einer endotrachealen Intubation oder einer Rettung aus dem Gefahrenbereich sollte – wenn immer möglich – die Immobilisation der Halswirbelsäule aufrechterhalten werden.
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Die Beurteilung des Unfallmechanismus kann auf eine Wirbelsäulenverletzung hinweisen.
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Die klinische Untersuchung (Inspektion, Palpation) sowie eine orientierende neurologische Untersuchung können weitere Hinweise auf eine Wirbelsäulenverletzung und gegebenenfalls auf eine zusätzliche Rückenmarkverletzung liefern.
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Die Höhe einer Wirbelsäulenverletzung kann durch die Kenntnis weniger Kennmuskeln und Dermatome abgeschätzt werden.
Immobilisation und achsengerechte Rettung
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Die Immobilisation der Halswirbelsäule ist nur durch eine Ganzkörperimmobilisation möglich. Die alleinige Anlage einer Zervikalstütze ist nicht ausreichend.
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Die Ganzkörperimmobilisation sieht zunächst die Fixierung des Rumpfes und der Extremitäten mit Gurten unter kontinuierlicher manueller Inline-Immobilisation und anschließend die seitliche Fixierung des Kopfes vor.
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Die Ganzkörperimmobilisation kann auf dem Spineboard oder der Vakuummatratze erfolgen. Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden sind zu berücksichtigen.
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Die Indikation zur Immobilisation der Halswirbelsäule muss differenziert gestellt werden, da die Ganzkörperimmobilisation zunehmend kritisch diskutiert wird.
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Entscheidungshilfen wie die Canadian C-Spine Rule sollen bei der Indikationsstellung angewendet werden.
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Bei der sofortigen Rettung erfolgt der Transport des Patienten aus dem Gefahrenbereich ohne Beachtung der Achsensymmetrie (z. B. mittels Rautek-Griff).
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Bei der schnellen Rettung erfolgt nach dem Primary Survey die Rettung des kritischen Patienten unter Beachtung der Immobilisation der Halswirbelsäule soweit als möglich.
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Bei der schonenden Rettung befindet sich der stabile Patient innerhalb einer sicheren Einsatzstelle, von wo aus die Rettung unter höchstmöglicher Immobilisation der Wirbelsäule durchgeführt wird.
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Der Transfer eines auf dem Boden liegenden Patienten kann mittels Log-Roll-Manöver, Lift-and-Slide-Technik oder mit der Schaufeltrage erfolgen. Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Techniken sind zu beachten.
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