Notfallmedizin up2date 2015; 10(02): 107-112
DOI: 10.1055/s-0033-1358154
Kasuistik interaktiv
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Polytrauma nach Motorradunfall: Optimale Zusammenarbeit schafft Zeitvorteil

Gregor Lichy
,
Christian Frank
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
14. Juli 2015 (online)

Fazit
  • Die rechtzeitige (v. a. auch parallele) Alarmierung eines Luftrettungsmittels zum bodengebundenen Rettungsdienst kann eine erhebliche Zeitersparnis mit sich bringen, gerade wenn von vornherein klar ist, dass der Patient aufgrund der regionalen Gegebenheiten in ein weiter entferntes oder von der Einsatzstelle aus über die Straße nur schwer erreichbares Zentrum gebracht werden muss.

  • Bei V. a. Vorliegen eines Beckentraumas sollte eine frühe Stabilisierung mittels Beckenkompressionsgurt erfolgen. Bei isolierten Beckenverletzungen kann bei kurzen Transportzeiten ggf. auf die Durchführung einer präklinischen Intubation verzichtet werden, um einen Zeitvorteil bezüglich der Schockraumaufnahme zu erzielen. Dies gilt nicht bei zunehmend instabilen Kreislaufverhältnissen, zusätzlicher anhaltender respiratorischer Insuffizienz oder einer Vigilanzminderung mit einem GCS von kleiner 9 (s. auch S3-Leitlinien Polytraumaversorgung).

  • Einer möglichen Hyperfibrinolyse sollte durch die frühe Gabe von Tranexamsäure entgegengewirkt werden. Bezugnehmend auf CRASH2 wurde 2013 auch erstmals in einer internationalen Leitlinie die präklinische Gabe von Tranexamsäure empfohlen.

  • Bei Vorliegen eines Polytrauma und gleichzeitiger Verfügbarkeit eines Luftrettungsmittels sollte der Transport in ein überregionales Traumazentrum angestrebt werden. Bei isolierter bzw. führender C-Problematik ist dies aber je nach örtlichen Gegebenheiten zwingend zu überdenken. Hier kann der Transport in ein regionales Traumazentrum bedingt durch kürzere Transportzeiten von erheblichem Vorteil sein. Zu beachten ist dabei neben der Leistungsfähigkeit der Klinik aber auch das Vorhandensein eines Kliniklandeplatzes und kurzer Wege vom Landeplatz in den Schockraum. So kann eine erhebliche Transportverzögerung entstehen, wenn der Patient nach der Landung von einem Außenlandeplatz noch mittels RTW in die Klinik gebracht werden muss.

  • Die wesentliche Rolle spielen das Ansteuern einer den regionalen Gegebenheiten entsprechend geeigneten Zielklinik und die adäquate Schockraumzeit sowie die korrekt durchgeführte initiale Diagnostik mit Polytrauma-Spirale bei Hochrasanztraumen. Wenn sich die prähospitale und die innerklinische Versorgung durch in sich greifende Versorgungskonzepte (hier „Prehospital Trauma Life Support“ und „Advanced Trauma Life Support“) ergänzen, ist eine Betreuung der Traumapatienten ohne unnötigen Zeitverlust möglich. Ein leistungsstarkes Schockraumteam und die Bereitschaft zur gemeinsamen Interpretation der Befunde im Beisein aller relevanten Disziplinen hilft Leben retten. Dabei ist zwingend zu fordern, dass sich die einzelnen Beteiligten nicht als bloße konsiliarische Dienste verstehen. Aufgrund der nach dem Unfallhergang antizipierbaren, spezifischen Verletzungsmuster ist der Austausch mit einem hierin geschulten Traumatologen für die Patientensicherheit unumgänglich. Die isolierte Betrachtung einzelner Organsysteme ist mit der Pathophysiologie des Traumas nicht vereinbar.

 
  • Weiterführende Literatur

  • 1 Bernhard M, Matthes G, Kanz KG et al. Notfallnarkose, Atemwegsmanagement und Beatmung beim Polytrauma. Anaesthesist 2011; 60: 1027-1040
  • 2 Dirkmann D, Burggraf M, Brendt P et al. Kontroversen im Gerinnungsmanagement. Notfall Rettungsmed 2013; 16: 514-521
  • 3 Gries A, Lenz W, Stahl P et al. Präklinische Versorgungszeiten bei Einsätzen der Luftrettung. Anaesthesist 2014; 63: 555-562
  • 4 Helm M, Hauke J, Schlafer O et al. Erweitertes medizinisches Qualitätsmanagement am Beispiel der „Tracer“-Diagnose „Polytrauma“. Anaesthesist 2012; 61: 106-115
  • 5 Hilbert P, Hofmann GO, Nieden K et al. Gerinnungsmanagement beim kreislaufinstabilen Polytraumapatienten. Anaesthesist 2012; 61: 703-710
  • 6 Hußmann B, Taeger G, Lefering R et al. Letalität und Outcome beim Mehrfachverletzten nach schwerem Abdominal- und Beckentrauma. Unfallchirurg 2011; 114: 705-712
  • 7 Lendemans S. Schnittstellen in der Notfallmedizin. Notfall Rettungsmed 2012; 15: 300-304
  • 8 Lendemans S, Ruchholtz S. S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung. Unfallchirurg 2012; 115: 14-21
  • 9 Lier H, Hinkelbein J. Gerinnungstherapie beim Polytrauma ohne Point-of-care-Testung. Unfallchirurg 2014; 117: 105-110
  • 10 Szalay G, Meyer C, Schaumberg A et al. Stabilisierung instabiler Beckenfrakturen mittels pneumatischer Beckenschlinge im Schockraum. Notfall Rettungsmed 2010; 13: 47-51