Krankenhaushygiene up2date 2017; 12(02): 108-109
DOI: 10.1055/s-0033-1358325
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Antimikrobielle Resistenz als Global-Health-Herausforderung

Tim Eckmanns
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Publication Date:
12 June 2017 (online)

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Aufmerksamkeit dem Problemfeld antimikrobielle Resistenzen gegenüber nimmt in der Wissenschaft wie auch in den Medien und der Politik auf nationaler und internationaler Ebene seit einigen Jahren zu. Schließlich hatte am 21. September 2016 auch die UN-Generalversammlung das Thema auf der Agenda [1]. Es war das dritte Mal in ihrer Geschichte, dass sich die UN mit einem infektiologischen Thema beschäftigte – zuvor waren es im Jahr 2000 HIV und 2014 Ebola.

Antimikrobielle Resistenzen sind ein Paradebeispiel für eine Herausforderung der „Globalen Gesundheit“ (Global Health). So sind Resistenzen auf allen Kontinenten anzutreffen und betreffen auch Länder mit niedrigen Einkommen, obwohl Antibiotika dort für die eigene Bevölkerung noch gar nicht breit verfügbar sind. Ein Grund für die hohen Resistenzen ist, dass die meisten Antibiotika in Ländern mit niedrigem Einkommen hergestellt werden. So werden in der Nähe der Antibiotika-herstellenden Fabriken Antibiotikakonzentrationen in Gewässern gemessen, welche die zugelassenen Konzentrationen im menschlichen Blut übersteigen. Auch werden mit nach Afrika exportierten Hühnchenresten ESBL-bildende Erreger eingeführt. Es können viele weitere Beispiele für die Global-Health-Herausforderung antimikrobieller Resistenzen gegeben werden. So tragen Patienten aus Krisengebieten, die in Deutschland behandelt werden, oft Carbapenem-resistente Erreger, wenn sie dort bereits im Krankenhaus behandelt wurden; auch Touristen kommen häufig kolonisiert mit hochresistenten Erregern aus Endemiegebieten zurück. Gleichzeitig sterben heute trotz eines in vielen Teilen der Welt zu hohen Verbrauchs an antimikrobiellen Substanzen immer noch mehr Menschen an mangelndem Zugang zu antimikrobiellen Substanzen als an Resistenzen. Insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen werden wesentlich mehr Antibiotika im Tierbereich als beim Menschen eingesetzt. Somit ist der One-Health-Aspekt – eine Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt – Teil der Global-Health-Herausforderung.

Das Problemfeld der antimikrobiellen Resistenzen kann mit dem des Klimawandels verglichen werden. Der Vorteil im Falle der Bekämpfung der antimikrobiellen Resistenzen ist, dass hier wesentlich unmittelbarer nationales Handeln auch zu nationalen Erfolgen in Form der Reduktion von Resistenzen führen kann. Trotzdem reicht aber nationales Handeln natürlich nicht aus, sondern muss um internationale Maßnahmen ergänzt werden. Nationales Eigeninteresse und internationale bzw. globale Solidarität sollten hier Hand in Hand gehen.

In der erwähnten UN-Generalversammlung konnten zwar keine neuen konkreten Strategien entwickelt werden, dafür reicht ein Tag nicht aus. Aber das Aufgreifen und Diskutieren des Themas an diesem Ort erhöht die Aufmerksamkeit in allen Ländern und auf allen politischen Ebenen hin bis zu den Staatsoberhäuptern. Auch wurde bei der UN-Versammlung das Mandat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Entwicklung und Umsetzung einer weltweiten Strategie gestärkt. So war 2015 der Global Action Plan (GAP) von der WHO verabschiedet worden [2]. Demzufolge muss jedes Land bis 2017 (wurde mittlerweile auf 2019 verlängert) einen National Action Plan (NAP) nach Vorbild des GAP haben. Dessen fünf strategische Ziele sind:

  • Stärkung von Bewusstsein und Verständnis (Training),

  • Verbesserung von Wissen durch Surveillance und Forschung,

  • Verringerung von Infektionen (Hygiene),

  • Optimierung der Verwendung von Antiinfektiva sowie

  • Schaffung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für allen Ländern zugutekommende nachhaltige Entwicklungen (neue Medikamente, neue Diagnostika, Impfstoffe und andere Interventionen).

In diesem Zusammenhang hat sich die Einsicht, dass die Entwicklung neuer Medikamente nur ein kleiner Baustein der Lösung des Problems antimikrobieller Resistenz ist, durchgesetzt. Als ein zentrales Element will die WHO mit dem Global Antimicrobial Resistance Surveillance System (GLASS) ein weltweites Surveillance-System für E. coli, K. pneumoniae, A. baumannii, S. aureus, S. pneumoniae, Salmonella spp., Shigella spp. und N. gonorrhoeae aufbauen [3]. Auch wenn viele Länder noch weit davon entfernt sind, diese Daten zu liefern, ist das Ziel sinnvoll. Entsprechende finanzielle und technische Unterstützung für Länder mit niedrigem Einkommen ist nötig.

Die für die Bekämpfung der antimikrobiellen Resistenzen notwendige internationale Solidarität ist nicht nur Herausforderung, sondern auch eine Chance für eine immer näher zusammenrückende globale Welt, wie die gemeinsame Umsetzung eines globalen Surveillance-Systems in Form von GLASS zeigt.

Auch national können durch das Thema antimikrobielle Resistenz Brücken gebaut werden, z. B. zwischen der Humanmedizin und der Veterinärmedizin bzw. der Landwirtschaft – oder innerhalb der Humanmedizin sektorenübergreifend zwischen Krankenhäusern und dem ambulanten Bereich. Gerade im Krankenhaus muss das Thema interdisziplinär angegangen werden. Die extreme Trennung der Disziplinen in Deutschland ist hier nicht hilfreich. Antimikrobielle Resistenzen sind eine Herausforderung, der nur gemeinsam von Public Health, Epidemiologie, Apotheke, Hygiene, Mikrobiologie und Klinik begegnet werden kann. Antibiotic Stewardship, Surveillance von Antibiotikaresistenz und -verbrauch und Infektionsprävention verstehen sich als Querschnittdisziplinen, die dazu beitragen können, dass die Sektoren und Disziplinen stärker zusammenarbeiten. So hat Deutschland etwa mit DART und DART 2020 einen NAP installiert, in dem die verschiedenen Akteure zur Zusammenarbeit aufgefordert sind. Die Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (KommART), die nach Vorgabe der DART im Infektionsschutzgesetz eine gesetzliche Grundlage bekommen hat und beim Robert Koch-Institut angesiedelt wurde, hat die Aufgabe, diese Akteure zusammenzubringen und gemeinsame sinnvolle Lösungen zu entwickeln.

Antimikrobielle Resistenz ist eine Global-Health-Herausforderung. Die Gefahr, die von einer zunehmenden Resistenz vieler Erreger ausgeht, ist erkannt. Ein gemeinsames nationales Vorgehen und internationale Solidarität können aus der Gefahr eine Chance zur kooperativen Zusammenarbeit für Gesundheitssysteme und Menschen machen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Tim Eckmanns