Zusammenfassung
Hintergrund: Verbale Aggressionen gegen Mitarbeitende im Gesundheitswesen sind ein erheblicher
Belastungsfaktor. Im Vergleich mit körperlichen Aggressionen sind bisher jedoch kaum
systematische Studien unternommen worden.
Methode: Es wurde eine leitfadengestützte qualitative Fokusgruppenstudie in verschiedenen
Settings des Gesundheitswesens durchgeführt: Akutpsychiatrie, forensische Psychiatrie,
Kinder- und Jugendpsychiatrie, Wohnheim für psychisch kranke Menschen, somatische
Akutklinik, Alten- und Pflegeheim. An 8 Fokusgruppeninterviews nahmen 74 Mitarbeitende
aus verschiedensten Berufsgruppen teil.
Ergebnisse: Von den Befragten wurden verschiedene Formen verbaler Aggressionen berichtet, die
von Beschimpfungen und Drohungen bis hin zu Verweigerungsverhalten reichten. Die mit
aggressiven Äußerungen verbundenen Hintergründe waren oftmals Unzufriedenheit der
Patienten mit der Situation und der Behandlung, Organisationsprobleme, aber auch psychische
Störungen und kognitive Einschränkungen. Die befragten Mitarbeitenden berichteten
über verschiedene Bewältigungsstrategien, unter anderem von Ignorierungs- und Rationalisierungsversuchen,
aber auch von Hilflosigkeit. Der Schweregrad verbaler Aggressionen im Vergleich zu
körperlicher Gewalt wurde uneinheitlich bewertet. Eine eindeutige Grenze zu ‚normalen‘
Sprechakten konnte ebenfalls nicht gezogen werden, da subjektive und individuelle
Faktoren bei der Bewertung eine große Rolle spielen.
Schlussfolgerung: Verbale Aggressionen stellen im Alltag von Beschäftigten des Gesundheitswesens eine
relevante Belastung dar, der bislang in der Praxis nur unzureichend begegnet wird.
Präventionsmaßnahmen können sich auf den Umgang mit verbalen Aggressionen in der Situation
beziehen (z. B. Kommunikationstrainings) sowie auf die individuelle psychische Bewältigung
derartiger Belastungen (z. B. Resilienzförderung).
Abstract
Background:
Verbal aggression against health-care staff can induce considerable stress. Compared
to physical aggression, systematic studies on verbal aggression are lacking.
Methods:
A qualitative focus group study was conducted in several clinical settings in north-western
Germany: acute mental health care, forensic mental health care, children and adolescent
psychiatry, residential care for mentally ill persons, general hospital, and nursing
home. 74 staff members from various professions participated in 8 focus groups.
Results:
Various forms of verbal aggression were reported, from verbal abuse over threats to
non-compliant behaviour. Backgrounds for verbal aggression by patients were usually
non-satisfaction with the situation or the treatment, organisational problems, and
mental disorders. Staff reported about various coping strategies such as ignorance
and rationalisation, but also helplessness. Compared to physical aggression, the severity
of verbal aggression was rated non-uniformly. A clear boundary between verbal aggression
and ‘normal’ speech acts could not be drawn, as subjective and individual factors
play an important role while interpreting aggressive acts.
Conclusion:
Verbal aggression is a relevant stressor for health-care staff which has been widely
neglected in care institutions. Prevention efforts may include situational coping
(e. g., communication training) and psychological coping (e. g., resilience enhancement).
Schlüsselwörter
Aggression - Gesundheitswesen - psychosoziale Belastungen
Key words
aggression - health-care services - psychosocial stressors