JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2013; 2(06): 246-247
DOI: 10.1055/s-0033-1361956
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Herzlich willkommen, Kathrin

Heidi Günther
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Publication Date:
05 December 2013 (online)

Neue Besen kehren gut

(Freidank, mittelhochdeutscher Dichter)

Diesen oft sehr abwertenden Spruch über neue Mitarbeiter kennen wir alle. Aber im Laufe der letzten Jahre, in Zeiten von Pflegekräftemangel und dem damit permanent beschworenen Pflegenotstand, wären viele Abteilungen in vielen Krankenhäusern dieses Landes froh, „neue Besen“ zu haben.

Im vergangenen Sommer, just an den heißesten Tagen des Jahres Ende Juli, hatte unsere Schülerin – korrekterweise sollte ich Auszubildende oder Krankenpflegeschülerin sagen – ihre praktische Prüfung zum Examen als Gesundheits- und Krankenpflegerin auf unserer Station.

Obwohl unsere Station schon mehr als sieben Jahre im Haus besteht, war es das erste Mal, dass wir eine Schülerin zum Examen begleiten durften. Ich weiß nicht genau, wer aufgeregter war. Kathrin, die Schülerin, Andrea, die Praxisanleiterin, oder wir anderen alle, die an diesem Tag ganz normal Dienst hatten. Wir hatten Kathrin schon einen Monat vor dem entscheidenden Tag kennengelernt. Eine freundliche, höfliche, vielleicht etwas zu selbstkritische, kluge junge Frau. Schnell mochten wir sie und sie uns. Schon vor dem Prüfungstag – wir sind natürlich davon ausgegangen, dass es nur bestens laufen kann – haben wir Kathrin für unser Haus und für unsere Station geworben. Ein bisschen riskant war das schon. Hatte Kathrin uns und unser Krankenhaus doch mit all seinen unterschiedlichen Stimmungen, Vor- und Nachteilen, Hochs und Tiefs kennengelernt.

Wir sind froh, dass Kathrin sich tatsächlich für uns entschieden hat, und sie kann froh sein, dass ihr ein beschwerlicher und mühsamer Bewerbungsmarathon erspart geblieben ist. Ich stelle es mir schon einigermaßen anstrengend vor, sich unter Abwägung aller persönlich wichtigen Faktoren die erste feste Arbeitsstelle zu suchen. Immerhin wird man ja in nächster Zukunft ein Drittel seiner Lebenszeit dort verbringen. Da sollte schon alles zusammenpassen.

Bevor es dann zum entscheidenden Bewerbungsinterview (wie es neudeutsch heißt) kommt, muss jeder potenzielle Bewerber erst mal für sich selbst herausfinden, wo er sich diesem stellen möchte. Für diesen Findungsprozess hat man in der heutigen Zeit etliche Optionen. Von Internetauftritten inklusive Erfahrungsberichten und entsprechenden Bewertungen bis hin zu Werbefilmchen in den U-Bahn-Schächten. Aber es gibt auch nach wie vor die offensichtlich unverwüstliche Stellenanzeige in den regionalen oder überregionalen Zeitungen und Fachzeitschriften. Da geben sich pfiffige Marketingmenschen größte Mühe, um in unserem Fall die Klinik und besser noch unsere Station im rechten Licht erscheinen zu lassen. Schon allein durch die Überschrift einer solchen Stellenanzeige möchte die Aufmerksamkeit eines potenziellen Bewerbers ergattert werden: „Leben wo andere Urlaub machen“. Das hat doch was. Und wer will das nicht? „Kompetent für Menschen“, „Schwimmen Sie mit uns zum Erfolg“, „Profession mit Herz“, „Krönen Sie Ihre Karriere!“, „Freude am Leben, Freude am Pflegen“. Alles super.

Und alle Kliniken suchen natürlich die Besten. Abgesehen von einer abgeschlossenen Berufsausbildung sind ausgezeichnete Umgangsformen, Flexibilität und Aufgeschlossenheit gegenüber Innovationen sehr gefragt. Dafür bieten die potenziellen Arbeitgeber auch einiges. Fachlich anspruchsvolle, abwechslungsreiche Aufgabengebiete auf höchstem Niveau in meist starken Teams und selbstverständlich in zukunftsorientierten und wachsenden Unternehmen. Nur bei der Vergütung unserer Arbeit wird es in den Inseraten ein bisschen seichter. Am besten gefällt mir die Formulierung: „Eine der Bedeutung der Position angemessene Vergütung.“ Ja, was sollen sie auch schreiben? Selbst unsere Kanzlerin weiß, dass die Bezahlung in der Pflege unangemessen ist: „Bei diesen Fachkräften wird man zu einer vernünftigen Bezahlung kommen müssen, wenn man Menschen finden will, die in diesem Beruf arbeiten.“ (Wahlarena, ARD, 9.9.2013)

Insgesamt ist es so, als würde ich mir eine Wohnung suchen wollen und lese in den Zeitungen nur von sonnendurchfluteten, großzügig geschnittenen und preiswerten Wohnungen in bester Lage.

Da hat es unsere Kathrin doch ganz gut getroffen. Sie weiß, worauf sie sich mit uns einlässt. Sie hat uns, die Klinik und die Station, schon kennengelernt. Sie weiß, dass wir uns sehr freuen, dass sie bei uns arbeiten wird. Sie kennt die Abläufe, die ruhigen und die stressigen. Sie hat uns genervt und entspannt erlebt. Sie weiß, dass sie sich auf einen „Knochenjob“ einlässt, aber auch, dass sie sich auf uns verlassen und bei aller Mühe, Stress und Selbstzweifeln auch viel Spaß haben kann.

Ich aber habe gelernt, dass wir besonders sorgsam, respektvoll und ehrlich mit den Krankenpflegeschülerinnen und jungen Kolleginnen umgehen müssen. Es ist ja nach wie vor so, dass der Berufswunsch Krankenschwester immer noch ganz oben bei Mädchen und jungen Frauen rangiert. Umso bedauerlicher ist es, dass nach der Ausbildung die jungen Kolleginnen offensichtlich nur eine kurze Zeit in diesem Beruf bleiben. Aber wenn es im Alltag und dem Miteinander nicht stimmt, nützt auch das blumigste Stellenangebot nichts.

Darum noch einmal: Herzlich willkommen, Kathrin!

Ihre

Heidi Günther

hguenther@schoen-kliniken.de