neuroreha 2013; 05(04): 151-152
DOI: 10.1055/s-0033-1363032
Aktuelles aus der Forschung
Gelesen und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Therapie des erzwungenen Gebrauchs bei Patienten mit Aphasie nach Schlaganfall

Contributor(s):
Jan Mehrholz
1   SRH Hochschule für Gesundheit, Gera gGmbH, Villa Hirsch, Hermann-Drechsler-Str. 2, 07548 Gera
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
04 December 2013 (online)

Zusammenfassung der Studie

Ziele

Das Ziel der Studie war es, die Wirksamkeit einer speziellen Therapie des erzwungenen Gebrauchs (Constraint-Induced Aphasia Therapy) bei Patienten mit Aphasie nach subakutem Schlaganfall zu evaluieren.


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Methodik

Patienten

An der Studie nahmen 100 Patienten aus einem stationären neurologischen Rehabilitationszentrum in Deutschland teil. Die Probenden waren im Mittel 60 Jahre alt und befanden sich ca. 35 Tage nach Schlaganfall.

Zu den Einschlusskriterien zählten: erster Schlaganfall, Krankheitsdauer 1 bis 4 Monate, Alter unter 75 Jahre und einfaches Aufgaben- bzw. Testverständnis sowie eine diagnostizierte Aphasie. Allen Studienteilnehmern wurde mittels Aachener Aphasie Test (AAT) eine Aphasie diagnostiziert (z. B. amnestische, Broca-, Wernicke-, globale und nicht näher klassifizierte Aphasie).

Die Ausschlusskriterien waren: bereits vor dem Schlaganfall bestehende aphasische Störungen, Dysarthrien (auf der Dysarthria Rating Scale Werte von 0 bis 3 (Huber 2006)) und Sprechapraxien.

50 Patienten randomisierten die Untersucher mittels computergenerierter Zufallsliste in die Interventionsgruppe (Constraint-Induced Aphasia Therapy, CIAT) und 50 Patienten in die Kontrollgruppe.


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Design

Es handelt sich um eine randomisierte kontrollierte Studie.


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Interventionen

Alle Patienten erhielten ihre individuelle stationäre Rehabilitation inklusive Physio- und Ergotherapie und für ca. 2 h täglich über 15 Tage Sprachtherapie. Sowohl die experimentelle (CIAT-Gruppe) als auch die Kontrollgruppe (konventionelle Gruppe) bekamen ihre Aphasiebehandlung im Rahmen einer Gruppentherapie. Während der Studienzeit erhielten die Patienten keine zusätzliche Sprachtherapie.

Die Gruppen bestanden aus vier bis sechs Patienten sowie einem Sprachtherapeuten. Zur CIAT- Gruppe gehörten außerdem zwei Patienten ohne Aphasie. Ein Heimübungsprogramm wurde im Gegensatz zu früheren Studien zur Thematik nicht angeboten, jedoch gaben die Untersucher den Patienten und den Angehörigen fachliche Ratschläge.

CIAT-Gruppe:

Die Schlüsselprinzipien von CIAT waren: 1. häufiges Üben, 2. üben und steigern der Anforderung, orientiert an der individuellen Leistungsgrenze sowie striktes Vermeiden nonverbaler Strategien in einer Gruppentherapie, die Spielsituationen nutzte. Die Behandlungsstimuli beinhalteten Karten mit Objektbildern, Fotografien von Alltagssituationen und ein Modul der Schriftsprache (Meinzer et al. 2005). Zusätzlich übten die Probanden Schreiben mit phonetischen Schrittmachern. Wenn Patienten Bilder korrekt mittels Schrittmachern benennen konnten, wurden im Folgenden die Schrittmacher entfernt und die Aufgabe wurde so gesteigert. Patienten mit besonders guten Ergebnissen forderten die Untersucher auf, die diktierten Wörter zu schreiben. Der Therapeut begleitete die Behandlung, und die Kommunikationsregeln wurden zunächst formuliert, dann individuell angepasst und stetig gesteigert. Unterstützung bekamen die Patienten gerade so viel wie nötig. Zwischen den Teilnehmern standen visuelle Barrieren, sodass diese nicht gegenseitig ihre Karten und Hände beobachten konnten. Die nichtaphasischen Patienten verstärkten in der Gruppe als Mitspieler, aber nicht als Co-Therapeuten.

Konventionelle Gruppe:

In dieser Therapiegruppe wendeten die Therapeuten ein standardisiertes Aphasie-Übungsprogramm an, welches auf spezifische Defizite abzielte. Inhalte dieser Gruppe waren zum Beispiel Übungen zur Satzvervollständigung, Wortfindung, Lernen von Satzmustern, Wörter hören und Konversation über aktuelle Themen. Der Therapeut initiierte alle kommunikativen Aktivitäten. Im Gegensatz zur CIAT-Gruppe war es den Patienten erlaubt, alle Kommunikationswege inklusive nonverbaler Kommunikation zur Verständigung zu nutzen.

Nach Entlassung aus der stationären Rehabilitation erhielten die Studienteilnehmer ambulante und für Deutschland übliche Sprachtherapien (im Mittel; CIAT: 1,9 h/Woche, Kontrollgruppe 2,1 h/Woche) so die Autoren.


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Ergebnisparameter

Als abhängige Variablen wurden der AAT und der Communicative Activity Log (CAL) zu Beginn und nach 3 Wochen ausgewertet. Außerdem wurden alle Patienten nach 8 Wochen und 1 Jahr zur Nachuntersuchung eingeladen. Alle Messungen wurden von Testern, die nicht die Gruppenzuordnung kannten, verblindet erhoben.


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Ergebnisse

Zu Beginn der Studie waren beide Gruppen hinsichtlich wichtiger prognostischer Variablen vergleichbar.

Nach drei Wochen gab es keine systemtischen Gruppenunterschiede bezogen auf CAL und AAT und deren Untertests. Insgesamt und statistisch signifikant verbesserten sich die Patienten beider Gruppen (in etwa vergleichbar) im CAL und den Untertests des AAT.

Lediglich 26 von 100 Patienten kamen 8 Wochen und 1 Jahr zur Nachuntersuchung. Auch zu den Zeitpunkten der Nachuntersuchung gab es keine systematischen Gruppenunterschiede bezogen auf CAL und die Untertests des AAT.


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Schlussfolgerung

Die Autoren schlussfolgern, dass beide in der Studie genutzten Programme geeignet sind, die Sprachfunktion von Patienten mit Aphasie in der subakuten Phase nach Schlaganfall zu verbessern.


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  • Literatur

  • 1 Huber W. Dysarthrie. In: Hartje W, Poeck K, Hrsg. Klinische Neuropsychologie. Stuttgart: Thieme; 2006: 174-202
  • 2 Meinzer M, Djundja D, Barthel G et al. Long-term stability of improved language functions in chronic aphasia after constraint-induced aphasia therapy. Stroke 2005; 7: 1462-1466