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DOI: 10.1055/s-0034-1365973
Die physiotherapeutische Sicht auf Interdisziplinarität in der Komplexleistung Frühförderung
Ergebnisse aus drei ExperteninterviewsThe Physiotherapists’ Perspective on Interdisciplinarity in the Complex Service of Early InterventionResults of Three Expert InterviewsPublication History
01 July 2013
09 October 2013
Publication Date:
03 March 2014 (online)
Zusammenfassung
Hintergrund: Interdisziplinarität stellt ein wesentliches Qualitätskriterium der „Komplexleistung Frühförderung“ dar. Derzeit existieren keine empirischen Befunde, die die physiotherapeutische Sicht auf die interdisziplinäre Arbeit beleuchten.
Ziel: Die Studie untersuchte, wie ambulant arbeitende Physiotherapeuten die Umsetzung interdisziplinärer Arbeit in der Komplexleistung Frühförderung empfinden und welche Auswirkungen sich daraus für die Arbeit in der ambulanten Praxis ergeben.
Methode: In Experteninterviews wurden 3 ambulant arbeitende Physiotherapeutinnen leitfadengestützt befragt. Die Daten wurden vollständig transkribiert und computergestützt einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring [11] unterzogen.
Ergebnisse: Die derzeitige Versorgungssituation entspricht einer multidisziplinären Arbeitsform. Physiotherapeutinnen scheinen eine transdisziplinäre Arbeit zu bevorzugen. Dies kommt ihrem Rollenverständnis entgegen, Kinder ohne häufige Therapiewechsel so lange wie möglich zu begleiten. Ökonomische Faktoren wie Zeitaufwand, persönlicher Nutzen und finanzieller Profit bieten wenige Anreize zur Mitarbeit in interdisziplinären Zusammenhängen. Diese bleibt häufig in hohem Maße dem persönlichen Eigenengagement überlassen.
Schlussfolgerungen: Qualitätssichernde Maßnahmen und bundesweit einheitliche Richtlinien, die Interdisziplinarität über feste Zeitfenster und adäquate Vergütungen möglich machen, scheinen notwendig. Zukünftige Forschungsprojekte sollten im Rahmen regionaler, partizipativer Ressourcen-Analysen zur Entwicklung physiotherapieintegrierender Konzepte von Interdisziplinarität beitragen.
Abstract
Background: Interdisciplinary practice is considered to be a crucial quality criterion of the complex service of early intervention. Currently there exists no empirical research which illustrates the physical therapists’ perspective on interdisciplinary work.
Objective: This study examined how outpatient physical therapists perceive the realization of interdisciplinarity and which consequences arise for their practical outpatient work.
Method: Three female outpatient physiotherapists were questioned in expert interviews. The data were transliterated and assessed by computer-assisted qualitative content analysis according to Mayring [11].
Results: The current patient-centred care fulfils a multidisciplinary practice. Physiotherapists seem to prefer transdisciplinary activities. This complies with their understanding of their role to take care of the children as long as possible without frequent therapy alterations. Economic factors such as time expenditure, personal and financial benefit provide few incentives to interdisciplinary collaboration. Therefore it is often committed to intrinsic dedication.
Conclusions: Quality-assuring measures and nationwide standardised guidelines regulations offering interdisciplinarity on the basis of fixed time frames and adequate payment seem to be essential. Future research should contribute to developing physiotherapy integrating concepts of interdisciplinarity within the scope of regional participative resource analyses.
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