Z Gastroenterol 2014; 52(6): 606-612
DOI: 10.1055/s-0034-1366570
Mitteilungen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Positionspapier der Fachgesellschaften zur Anwendungsempfehlung der endoskopischen biliodigestiven Diversion[1] in Deutschland – DDG/DGAV/DGVS –

E. Siegel
1   Abteilung Innere Medizin – Gastroenterologie, Diabetologie und Ernährungsmedizin, St. Josefskrankenhaus, Heidelberg, (für die Deutsche Diabetesgesellschaft)
,
G. Kähler
2   Zentrale Interdisziplinäre Endoskopie, Mannheim, Universitätsmedizin Mannheim, (für die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie)
,
W. Schepp
3   Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Gastroenterologische Onkologie, Klinikum Bogenhausen, Städtisches Klinikum München GmbH, München (für die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten)
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Publication Date:
06 June 2014 (online)

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Einleitung

Diabetes mellitus Typ 2 ist eine häufig vorkommende Stoffwechselerkrankung. Die Prävalenz hat in den letzten 15 Jahren weiter stark zugenommen und liegt in Deutschland jetzt bei 7,2 % der Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 79 Jahren (Frauen: 7,4 %, Männer: 7 %). Eine Untergruppe mit einem besonders ausgeprägten Erkrankungsrisiko sind Männer und Frauen mit Adipositas [8].

Die Prävalenz von Übergewicht (BMI ≥ 25 kg/m²) stagniert seit Jahren auf einem hohen Niveau; unter den 18- bis 79-Jährigen sind 67,1 % der Männer und 53 % der Frauen übergewichtig. Deutlich gestiegen ist die Prävalenz der Adipositas, die durch einen BMI ≥ 30 kg/m² gekennzeichnet ist. Sie beträgt aktuell 23,3 % bei Männern und 23,9 % bei Frauen und ist besonders bei jungen Erwachsenen gestiegen [10].

Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 – DMT2 –, v. a. diejenigen in den frühen Stadien, können ihren Blutzucker durch Diät, Gewichtsreduktion und körperliche Aktivität effektiv kontrollieren. Falls diese Maßnahmen zur effektiven Kontrolle nicht ausreichen, werden in der Regel orale und / oder injizierbare Medikationen verabreicht. Trotz Diät und / oder pharmakologischer Therapie, gelingt es vielen Patienten nicht, ihr individuelles Therapieziel (HbA1c-Zielkorridor: 6,5 – 7,5 %) entsprechend der Nationalen VersorgungsLeitlinie zur Therapie des Typ-2-Diabetes – NVL DMT2 – (August 2013 – AWMF-Register-Nr.: nvl-001 g) zu erreichen bzw. zu halten. Die Compliance des Patienten bei einem verordneten Therapieschema ist einer der hauptsächlichen, begrenzenden Faktoren der Möglichkeit zur Kontrolle des Blutzuckers durch oral verabreichte oder injizierbare Wirkstoffe. Die steigende Komplexität des medikamentösen Behandlungsschemas des Patienten beeinflusst in adverser Weise die Compliance. Diese Komplexität in Kombination mit der notwendigen Behandlung von Begleiterkrankungen, wie z. B. Bluthochdruck und Hyperlipidämie, erzeugt eine steigende Herausforderung für die Patienten.

Die Behandlung mittels der endoskopischen biliodigestiven Diversion (DJBS) – EndoBarrier®, GI Dynamics Inc., Lexington, MA, USA – auch: Kunststoffconduit oder endoskopischer Bypass-Schlauch – ist ein neuer, innovativer Therapieansatz für adipöse Diabetespatienten. Es wird die Möglichkeit genutzt, die diabetische Stoffwechsellage über einen Dünndarm-Bypass zu beeinflussen. Dabei kommen Nahrung und Verdauungssekrete nicht gleich im Duodenum in Kontakt, sondern werden ca. 60 cm parallel durchs Jejunum transportiert – getrennt durch den endoskopisch eingebrachten Kunststoffconduit.

Die so nach distal verschobene Verdauung bewirkt nicht nur eine deutliche Gewichtsreduktion, sondern beeinflusst v. a. den Glukosestoffwechsel sehr günstig. Ähnliche Effekte sind bekannt von operativen Bypass-Verfahren und der Therapie mit GLP-1-Analoga und beruhen in erster Linie auf hormonellen Steuerungseffekten. Der endoskopisch und temporär implantierbare duodenojejunale Kunststoffconduit zeichnet sich durch eine geringe Invasivität, gute Verträglichkeit und vollständige Reversibilität aus. Für adipöse Diabetespatienten stellt DJBS somit eine neue, zusätzliche Therapieoption dar, die hinsichtlich der Kombination von Effektivität und Invasivität bisher ohne vergleichbare Alternativen ist.

1 Auch: duodenal-jejunal bypass sleeve (DJBS)