Fortschr Neurol Psychiatr 2014; 82(6): 309-310
DOI: 10.1055/s-0034-1366596
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Was sollen wir essen?

What should we eat?
J. Kornhuber
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Publication Date:
05 June 2014 (online)

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Viele Patienten nehmen Nahrungsergänzungsmittel wie Selen oder Vitamin E zu sich; andere setzen auf spezielle Diäten wie „Low Fat“. Diesen Ernährungsformen liegt die Annahme zugrunde, dass die Zusammensetzung der Mikronährstoffe (z. B. Spurenelemente, Vitamine) oder Makronährstoffe (Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate) von zentraler Bedeutung für die Ernährung sei. In der Ernährungsforschung gab es jedoch einen Paradigmenwechsel, den viele unserer Patienten noch nicht wahrgenommen haben. In dem ganzheitlichen Ansatz geht es nicht um Mikro- oder Makronährstoffe, sondern um die Kombination einzelner Lebensmittel zu einer Mahlzeit bzw. zu einer Gesamtdiät.

Ein Beispiel dafür ist die Mittelmeerdiät. Grundelemente der Mittelmeerdiät sind wenig veränderte Getreideprodukte wie Brot und Nudeln sowie Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse, Fisch und Olivenöl, wenig Milchprodukte oder Geflügelfleisch und möglichst wenig rotes Fleisch und Süßigkeiten. Es gab schon lange Hinweise auf eine günstige Wirkung der Mittelmeerdiät auf die Gesamtmortalität, das Herz-Kreislauf-System oder auf die Entwicklung demenzieller Erkrankungen sowie Depressionen. Dabei scheint körperliche Aktivität positiv mit der Mittelmeerdiät zu interagieren. Die Daten sind auch in aktuelle Empfehlungen wie die S3-Leitlinien Demenzen der DGPPN/DGN eingegangen. Die Erkenntnisse stützten sich aber auf Fallkontroll- oder Kohortenstudien [1] [12] [17] [20] [21] und damit auf Studien mit moderater Evidenz. Bislang lag nur eine randomisierte prospektive Interventionsstudie in der Sekundärprävention kardiovaskulärer Ereignisse mit einer relativ geringen Fallzahl vor [3]. Mit der PREDIMED-Studie gab es kürzlich bedeutende neue Erkenntnisse zur Wirkung einer Mittelmeerdiät [6]. In dieser prospektiven randomisierten Interventionsstudie wurden etwa 7500 Personen mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko zufällig drei Gruppen mit speziellen Ernährungsformen ohne Kalorienbeschränkung zugeteilt, nämlich einer Diät mit erniedrigtem Fettgehalt, einer Mittelmeerdiät, angereichert mit „Extra-Vergine“-Olivenöl (deutsch: Natives Olivenöl Extra), sowie einer Mittelmeerdiät, angereichert mit Nüssen. Nach einer mittleren Studiendauer von 4,8 Jahren zeigte sich ein deutlich reduziertes kardiovaskuläres Risiko in den beiden Gruppen mit Mittelmeerdiät [6]. Eine Vielzahl weiterer Analysen zeigte günstige Effekte der Mittelmeerdiät auf periphere arterielle Gefäßkrankheiten [14], Diabetes [15], Kognition [10] und auf das erstmalige Auftreten einer depressiven Episode, vor allem bei Patienten mit Diabetes [16]. Eine gute Adhärenz zur Mittelmeerdiät war unabhängig von der Kalorienaufnahme mit geringerer Adipositas verknüpft [9]. Eine prospektive randomisierte Interventionsstudie zur Wirkung einer Mittelmeerdiät läuft derzeit auch bei depressiven Patienten [11]; hier dürfen wir auf die Ergebnisse gespannt sein.

Es gibt vielfältige Erklärungsansätze zur Wirkung einer Mittelmeerdiät [2] [4] [5] [19] [22]. Wir konnten kürzlich eine zentrale Rolle des Lipids Ceramid auf Neurogenese und depressionsähnliches Verhalten bei Mäusen zeigen [7]. Ceramid wiederum kann durch Ernährungsmuster wie bei Mittelmeerdiät und körperlicher Aktivität reduziert werden [8].

Die gute Nachricht lautet: Das, was wir schon aus Studien mit moderater Evidenz wussten, bestätigt sich in Studien mit hoher Evidenz. Mittelmeerdiät, angereichert mit Olivenöl oder Nüssen, hat vielfältige gesundheitsfördernde Wirkungen und sollte zum internationalen Standard gesunder Ernährung werden. Es ist beispielsweise vorstellbar, dass die Zahl der Neuerkrankungen bei Alzheimer-Demenz sinken wird, wenn wir uns langfristig gesünder ernähren; dafür gibt es erste Anzeichen [13] [18].

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Prof. Dr. Johannes Kornhuber