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DOI: 10.1055/s-0034-1366903
Deutscher Schmerzkongress vom 23.–26.10.2013 in Hamburg
Publication History
Publication Date:
18 February 2014 (online)

Der Deutsche Schmerzkongress wird jährlich von der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. gemeinsam mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG) durchgeführt. Das diesjährige Motto in Hamburg lautete: „Moderne Schmerzmedizin – ist alles gut, was geht?“ (▶ [Abb. 1]). Die Kongresspräsidenten Prof. Dr. Azad und Prof. Dr. May wählten das Motto bewusst, um eine interprofessionelle Diskussion und kritische Reflexion darüber anzustoßen, was medizinisch/therapeutisch zwar möglich, aber auch gut und ethisch vertretbar ist. Dazu fand zum 1. Mal ein interaktives Symposium mit dem Titel „Nightmares in Pain Management“ statt, bei dem 4 kritische Situationen aus dem schmerzmedizinischen Alltag aufgegriffen und in einem Plenum besprochen wurden.


Zum Themenbereich „Rückenschmerz“ beschäftigten sich mehrere Symposien mit der Fascia thoracolumbalis als potenziellem Ursprungsort myofaszialer Rückenschmerzen. Mikroläsionen und Irritationen können hier zu einer nozizeptiven Reizung führen. Im Rahmen der lokalen Entzündungsreaktion scheint dabei das Neurotrophin NGF eine wichtige Rolle für die periphere und zentrale Sensibilitätssteigerung zu spielen. Die dadurch erregten Hinterhornneuronen zeigen außerdem ausgeprägte Konvergenzen zu rezeptiven Feldern, die auch die Muskeln und Haut des lumbalen Rückens versorgen. Dies könnte einen die diffuse Natur und die schlechte Lokalisation chronischer Rückenschmerzen begünstigenden Mechanismus widerspiegeln.
Seit 3 Jahren gibt es auch immer ein Symposium zum Thema „Bewegungstherapie“. Diesmal wurde unter dem Titel „Funktionsverbesserung oder Schmerztherapie“ aus Sicht der manualtherapeutischen Diagnostik und Behandlungsmethodik diskutiert, dass es im Hinblick auf eine moderne Schmerzmedizin nicht sinnvoll ist, das eine vom anderen zu trennen. Funktion bezog sich in diesem Zusammenhang sowohl auf die von Geweben, Gelenken, der Bewegungs- und Haltungssteuerung als auch Alltagsfunktionen und Partizipation. Vor diesem Hintergrund erscheint die über viele Jahre geforderte Schmerzfreiheit/-armut als Voraussetzung einer funktionellen Behandlung nicht sinnvoll und oft kontraproduktiv.
Beim kritischen Blick auf die Therapeutenrolle wurde herausgestellt, wie wichtig die expliziten (z.B. deutlich kommunizierten) und impliziten (z.B. innere Überzeugungen/Haltungen) Einstellungen der der Ärzte/Therapeuten in Bezug auf Therapieentscheidungen und Beeinflussung von Patienten sind. Aus Placebo-/Nocebo-Studien ist bekannt, dass diese Einstellungen und Verhaltensweisen von Behandlern das Therapieergebnis maßgeblich mitbestimmen können. Gerade hinsichtlich Bewegung – insbesondere Empfehlungen für Bewegung trotz noch vorhandenen Schmerzen – empfinden viele Praktiker die Umsetzung von Leitlinien-Empfehlungen in ihren klinischen Alltag eher beschwerlich und handeln daher oft nach ihren Überzeugungen und den Erwartungen des Patienten.
Ein Poster informierte über die erstmalig ab Februar 2014 von der Deutschen Schmerzgesellschaft angebotene neue Weiterbildung zur „Speziellen Schmerzphysiotherapie“ (SpSPT). Das Curriculum erarbeiteten Mitglieder des interprofessionellen Arbeitskreises „Schmerz und Bewegung“.
Das wissenschaftliche Programm und die Fortbildungsmöglichkeiten im Rahmen des Kongresses waren beeindruckend. Insgesamt gab es 60 Symposien, 29 Workshops, 13 Refresher-Kurse und über 170 Poster. Sie spiegeln das breite Themenspektrum der beiden Gesellschaften wieder. Dabei ist an dieser Stelle zu betonen, dass die Teilnahme am kompletten Kongress für medizinische Assistenzberufe (u.a. auch die Physiotherapie) bei frühzeitiger Anmeldung „nur“ 45,- Euro für Mitglieder der Deutschen Schmerzgesellschaft und 65,- Euro für Nichtmitglieder kostet.
Dieses Jahr findet der Schmerzkongress vom 22.–25.10.2014 wieder in Hamburg statt. Unter dem Motto „Schmerztherapie befreit – befreit Schmerztherapie?“ sollen verstärkt auch die einer optimaleren Therapie oft im Wege stehenden finanziellen und strukturellen Fesseln sowie Tabuthemen wie Schmerz und körperliche Gewalt, Sexualität und ethnische Besonderheiten aufgegriffen werden (Website: deutscher-schmerzkongress2014.de).