manuelletherapie 2014; 18(01): 5
DOI: 10.1055/s-0034-1366904
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

8. Interdisziplinärer Weltkongress zu Low Back & Pelvic Pain 2014 in Dubai

Bernhard Reichert
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Publication Date:
18 February 2014 (online)

Der Weltkongress zu Low Back and Pelvic Pain ist eine Kongressreihe, die von Prof. Andry Vleeming (University of Ghent) initiiert wurde (▶ [Abb. 1]). Nach dem 1. Kongress 1992 in San Diego werden sie etwa im 3-jährigen Rhythmus in den unterschiedlichsten Erdteilen wiederholt (2006: Barcelona; 2009: Los Angeles; 2016: Singapur; 2019: evtl. München). Von den über 1000 Teilnehmern aus 56 verschiedenen Ländern kamen 170 aus dem arabischen und asiatischen Raum.

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Abb. 1 Banner des Weltkongresses in Dubai.

Aus den mehr als 400 eingereichten Abstracts wissenschaftlicher Studien entstand ein Programm mit mehr als 120 Vorträgen und 192 Poster-Präsentationen, eingerahmt von Pre- and Post-Conference-Workshops (▶ [Abb. 2]).

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Abb. 2 Zuhörer bei einem der Vorträge.

Die Vortragenden rekrutierten sich vor allem aus Skandinavien (22), USA/Kanada (21), Australien/Neuseeland (20), Niederlande/Belgien (17), Großbritannien/Irland (14), Asien und arabische Länder (13) sowie Deutschland (5). Die 5 deutschen Beiträge sind eine deutlich Steigerung in der Häufigkeit zu Barcelona 2006 und vor allem dem Engagement der Gruppe um Robert Schleip aus Ulm geschuldet.

Die Hauptthemen des 8. Weltkongresses umfassten: Anatomie und Biomechanik, Erkenntnisse zu Faszien, Beckenringbeschwerden, Subgruppen-Klassifikationen, Motor Control, Schwerpunkt nicht spezifische tiefe Rückenschmerzen, Epidemiologie sowie Forschungsmethodik. Sie repräsentieren laut Prof. Vleeming die Bereiche der größten Forschungsentwicklungen und zukünftigen Herausforderungen. Eine ganze Session befasste sich mit neuen Entwicklungen operativer Methoden in der Wirbelsäulenchirurgie.

Eine der Herausforderungen beinhaltet die Klassifikation der tiefen Rücken- und Beckenbeschwerden. Von der Klassifikation hängt die Übungsstrategie ab. Motor Control ist tief mit der Plastizität des ZNS verbunden. Training verändert das Gehirn. Tiefe Rücken- und Beckenbeschwerden gehen mit einem Verlust der Körperwahrnehmung (Body awareness) einher. Daher wird dem sensorischen Aspekt des Motor Control eine wichtige Rolle in der Rehabilitation zugeschrieben.

Vleeming spricht von einem „Shift zu normaler Anatomie“, die weniger zwischen anatomischen Identitäten unterscheidet, z.B. Muskel und Faszien. Derzeit gibt es nach seiner Auffassung in der Faszienforschung allerdings mehr Fragen als Antworten. Eine übergeordnete Herausforderung der Zukunft ist die kritische Betrachtung des weltweiten Anstiegs von Wirbelsäulenoperationen. Patienten sollten jedoch erst dann operiert werden, wenn sie eine „echte“ Rehabilitation erfolglos durchlaufen haben.

Zur Integration von Komorbiditäten äußert sich Vleeming folgendermaßen: „Die Forschung bei tiefen Rücken- und Beckenbeschwerden hat 3 Hintergrundgeräusche: Rauchen, Übergewicht und psychosoziale Faktoren“. Chronische Rücken- und Beckenschmerzpatienten benötigen eine multifaktorielle Behandlung und Zeit.

Das insgesamt etwa 700 Seiten starke Kongressbuch enthält alle Zusammenfassungen der Vorträge sowie Poster-Präsentationen und ist über die Homepage der Kongressreihe Paper-based oder elektronisch zu erwerben (www.worldcongresslbp.com).

Prof. Vleeming und sein Team setzten mit dieser Konferenz neue Maßstäbe bei der fachlichen Qualität der Redner und der Teilnehmer, der Rahmenbedingungen des Konferenzgebäudes, des Caterings und der Organisation vorher und begleitend zum Kongress. Das ist kaum zu toppen. Es wird aber deutlich, dass ein Kongress auf diesem Niveau ohne grundlegende wissenschaftliche Vorkenntnisse schwer nachzuvollziehen ist.

(Dieser Bericht hat keine Interessenskonflikte und ist frei von Sponsoring. Eine Literaturliste findet sich auf der Homepage des Autors: www.bernhardreichert.de).