manuelletherapie 2014; 18(01): 6
DOI: 10.1055/s-0034-1366905
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

2. Gelenktag Fontanaklinik in Freiburg

Frederick Hirtz
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
18. Februar 2014 (online)

Zu dem von den beiden Freiburger Orthopäden Dr. med. Florian Drumm und Dr. med. Volker Fass organisierten 2. Fontana Gelenktag für Ärzte und Physiotherapeuten am 16. November kamen rund 100 Teilnehmer (▶ [Abb. 1]).

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Abb. 1 Teilnehmer des Fontana Gelenktages.

Der 1. Teil befasste sich mit der instabilen Schulter. Dagmar Frech, Physiotherapeutin aus Freiburg und selbst Patientin mit Zustand nach beidseitiger Schulterinstabilität, berichtete zum Einstieg über ihre Erfahrungen als Patientin. Sie warb dafür, den Patienten durch interdisziplinäre Zusammenarbeit Sicherheit und Autonomie zu geben. Sie selbst profitierte von einer frühen, schmerzadaptierten Mobilisation.

Der Schulterspezialist Dr. Dirk Frauenschuh aus Berlin referierte über die Anatomie und funktionelle Aspekte der Schulterinstabilität aus orthopädischer Sicht. Dabei differenzierte er verschiedene Verletzungsmuster und Begriffsdefinitionen, aus denen sich das aus seiner Sicht wichtige Klassifikationssystem nach Gerber ableitet.

Pieter Westerhuis, Physiotherapeut und Maitland-Instruktor aus der Schweiz, stellte anschließend die instabile Schulter aus manualtherapeutischer Sicht dar. Für die Entscheidungsfindung der angebrachten Behandlung sind hier Art und Richtung der Instabilität wichtig. Dabei sollte man sich nicht alleine auf bildgebende Diagnostik und strukturelle Defizite beschränken, sondern in erster Linie funktionelle Aspekte sowie klinische Zeichen wie das Widerstandsverhalten berücksichtigen und die Wichtigkeit der Inspektion nicht unterschätzen. Besonders das skapulothorakale Gleiten sowie die Inspektion und Rekrutierbarkeit der skapulaumgebenden Muskulatur haben besondere Bedeutung für die funktionelle Schulterstabilität. Beispielsweise kann die Aufwärtsrotation der Skapula durch eine Schwäche des M. trapezius pars descendens verringert sein. Die ventrale Hypermobilität kann ebenfalls durch eine posteriore Hypomobilität (GIRD) verursacht werden und eine manualtherapeutischen Mobilisation der dorsalen Kapsel erfordern.

Im Anschluss folgte als ein Veranstaltungshöhepunkt die Liveübertragung einer ventralen Schulterstabilisation, bei der die Teilnehmer die Möglichkeit hatten, sowohl die arthroskopische Sicht des Operateurs einzunehmen als ihm auch direkt Fragen zu stellen.

Nach der Mittagspause und dem Besuch der Industrieausstellung ging es mit der ventralen Knieinstabilität weiter. Dr. Volker Fass (Freiburg) stellte zunächst einen mit vorderem Kreuzbandersatz versorgten Amateurfußballer vor, dessen Operation ebenfalls live übertragen wurde. Bei der angewandten sogenannten „All-Inside-Technik“ wird im Gegensatz zu anderen Verfahren der femorale Bohrkanal vom Gelenkinnenraum aus gebohrt und keine zusätzlichen Anker aus Fremdmaterial gesetzt. Interessant war sicherlich auch sein Hinweis, dass die Entscheidung für das verwendete Replantat aus seiner Sicht von sportartbezogenen Bewegungsabläufen und individuellen biomechanischen Faktoren abhängt.

Dr. Fass stellte die nach seiner Auffassung wichtigsten Ziele einer interdisziplinären Nachbehandlung und Faktoren vor, die zu postoperativen Komplikationen wie Streck- und muskulären Defiziten führen. Dabei teilte er die Verantwortlichkeit in 3 Bereiche: operative Fehler (z.B. falsch platzierte Bohrkanäle, operativ bedingte Arthrofibrosen), durch das Transplantatvolumen ausgelöste Impingement-Symptomatiken und patientenbedingte Faktoren (Compliance, Begleiterkrankungen und strukturelle bzw. funktionelle Defizite). Besonders betonte er jedoch die teils divergenten Vorstellungen von Physiotherapeuten und Operateuren zur Nachbehandlung sowie die mangelnde Rücksprache beim Auftreten von Komplikationen.

Till Sauerbrey (Physiotherapeut aus Offenburg) stellte bei seinem Referat über die physiotherapeutische Untersuchung eines instabilen Kniegelenks Testverfahren und trainingstherapeutische Behandlungsvorschläge vor.

In seinem 2. Vortrag gab Pieter Westerhuis wertvolle Tipps für die postoperative Nachbehandlung und nannte 2 möglicherweise auftretende Komplikationen: (1) Beim „Infrapatellar Contraction Syndrome“ kann es durch eine Kaudalisierung der Patella zu rezidivierenden Impingements des Hoffa-Fettkörpers und dadurch zu einem schmerzhaften Extensionsdefizit kommen. Hierbei sollte sowohl auf Mobilisationen in Extension als auch auf exzentrisches Training in offener Kette verzichtet und stattdessen die Patella nach kranial mobilisiert werden. (2) Der N. saphenus kann durch z.B. Narbenbildung beeinträchtigt werden. Auch verwies er auf die Bedeutung der gesamten Beinachse und zeigte Beispiele, wie eine insuffiziente Aufrichtung des medialen Fußgewölbes oder eine Schwäche der dorsalen Anteile des M. glutaeus medius die Beinachse beeinträchtigen können.

Insgesamt eine spannende und lohnenswerte Veranstaltung, die meines Erachtens in ihrer Art zu der von allen Rednern geforderten besseren interdisziplinären Zusammenarbeit beiträgt und zum besseren Verständnis der jeweiligen Perspektive führt.