Rofo 2014; 186(3): 212-217
DOI: 10.1055/s-0034-1368879
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Radiologie in der NS-Zeit – Teil 3 – „Röntgenkunde und Volksgesundheit“: Radiologie und Röntgenologie in der NS-Erbgesundheitspolitik

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Publication Date:
20 February 2014 (online)

Neben der Förderung, Zusammenfassung und Auswertung der wissenschaftlichen Facharbeit nannte die Satzung der DRG „die Beratung und Unterstützung der Reichsärztekammer bei der Verwertung der Röntgenkunde und Strahlenforschung im Dienst der Volksgesundheit“ als eine der Aufgaben der DRG. Diese fachliche Unterstützung bezog sich ausdrücklich nicht nur auf die individuelle, strahlendiagnostische und -therapeutische Krankenversorgung in freier Praxis und Krankenhaus, sondern auch auf „Zwecke der Volks-Hygiene bei Reihenuntersuchungen, Verhütung von Schädigungen auf dem Gebiete der Eugenik“.[1] Damit wurde die traditionelle, individuell-heilkundliche Arzttätigkeit um eine bevölkerungsmedizinische Perspektive erweitert, wie sie auch § 1 der „Reichsärzteordnung“ vom 13. Dezember 1935 (Reichsgesetzblatt I, S. 1433) in der Formel „Dienst an der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes“ für die Angehörigen der ärztlichen Berufe kodifizierte.

Auf dem Gebiet der Medizin und des Gesundheitswesens konkretisierte sich dieses Prinzip in der ‚Überordnung der Erhaltung der Gesundheit der Volksgesamtheit’ über den Schutz von Gesundheit und Wohlergehen des Individuums, so das Reichsgericht am 19. Juni 1936. Der Vollzug der Maßnahmen der Erbgesundheitspflege und der Rassenpolitik auf staatsrechtlicher, sozialpolitischer, aber auch medizinischer Ebene gestaltete die gesamte Gesellschaft im NS-Staat grundlegend um. In bisher nicht gekannter Weise ist es dem Nationalsozialismus gelungen, die Bedeutung des Staates als lebendiger „Volkskörper“ festzuschreiben, in dem – so eine juristische Formulierung aus dem Jahr 1934 – „der Wert der Einzelperson nur nach dem Grade ihres Nutzens für das Volksganze bemessen werden kann“[2].