Pneumologie 2014; 68(08): 571-572
DOI: 10.1055/s-0034-1377515
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Therapieadhärenz bei Asthma bronchiale – Versorgung bei Alltagsbedingungen in der pneumologischen Praxis. Pneumologie 2014; 68: 315–321
Versorgung von Asthmapatienten mit Kombinationstherapie aus ICS und LABA – eine GKV-Daten-Analyse. Pneumologie 2014; 68: 336–343

T. Hausen
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. August 2014 (online)

Die Beurteilung einer Adhärenz ist immer schwierig. Selbst Überprüfungen mittels Inhaliergeräten mit Zählwerk haben uns vor Augen geführt, dass viele Patienten nicht nach Vorgaben inhalieren, sondern den zu erwartenden Verbrauch erst kurz vor dem nächsten Kontrolltermin durch häufiges Auslösen herbeigeführt haben. Hätte nicht die Möglichkeit bestanden, die ausgelösten Dosen mit der Zeit des Auslösens zu koppeln, diese Patienten hätten als adhärent gegolten.

Die Beurteilung der Adhärenz mittels Fragebogen macht hier keine Ausnahme oder birgt noch größere Unsicherheit. Einzig die Tatsache der Beantwortung ist als gutes Zeichen zu werten. Die Antworten auf die Fragen alleine sind zu unsicher, um mehr als Tendenzen herauslesen zu können. Welcher Patient will schon durch negative Antworten seine Kritik äußern. Patienten wollen doch lieber ihrem Arzt etwas Gutes tun, und so werden viele versuchen, die vermuteten Erwartungen zu erfüllen. Die zusätzliche Feststellung, ob die Antworten von Patienten stammen, die noch in Behandlung dieser Praxis stehen, oder auch von Patienten, die den Kontakt abgebrochen haben, hätte den Wert der Auswertung gesteigert.

Dem Hausarzt stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob und wie sich der Vertrauensvorschuss des Spezialisten gegenüber dem Hausarzt äußert. Wie sieht die Dauer eines Kontaktes zur Praxis des Spezialisten im Vergleich zum Hausarzt aus?

Im Vergleich zu anderen chronischen Krankheiten (Hypertonie, Diabetes, Fettstoffwechselstörung, COB, Emphysem) haben Asthmatiker eine schwächere Bindung zur Hausarztpraxis. Zumindest galt das für die Praxis des Autors. Asthmatiker sind im Durchschnitt jünger und haben häufiger auch Leidensdruck, der zumindest die Patienten mit Diabetes, Hypertonie und Fettstoffwechselstörung zumindest bis zum Auftreten von Folgeschäden nicht plagt. Zusätzlich zur allgemeinen Mobilität mit Wohnortwechsel sind das mögliche Gründe, warum Asthmatiker eher zu einem „Arztwechsel“ neigen.

Tab. 1

Abfall des Kontaktes zu einer Hausarztpraxis bei chronischen Krankheiten.

Abfall der Patienten-Praxiskontakte in den Quartalen III + IV/1990 bis III + IV/1992

Patientenzahl

III + IV/90

III + IV/91

III + IV/92

Hypertonie

484 (100 %)

416 (86,0 %)

381 (78,7 %)

Diabetes

222 (100 %)

185 (83,3 %)

166 (74,8 %)

Fette

487 (100 %)

418 (85,8 %)

366 (75,2 %)

Asthma

103 (100 %)

 80 (77,7 %)

 70 (68,0 %)

COB

157 (100 %)

137 (87,3 %)

123 (78,3 %)

Emphysem

 45 (100 %)

 41 (91,1 %)

 37 (82,2 %)

Interessanterweise konnte damals sogar festgestellt werden, dass die Patienten mit einer chronischen Atemwegserkrankung unter einem ICS eine deutlich größere Praxistreue zeigten als diejenigen unter einem systemischen Kortikosteroid, ja selbst deutlich mehr als die Patienten mit den anderen chronischen Krankheiten. Möglicherweise war die Zufriedenheit/Beschwerdebesserung das Motiv für die größere Treue zur Praxis.

Die Pneumologen fordern seit Jahrzehnten eine Schulung von Patienten mit Asthma und COPD. Die Bereitschaft zur Teilnahme kann auch als Adhärenz gewertet werden. Es wäre leicht möglich – schließlich muss eine Schulung auch dokumentiert werden – und sicher interessant gewesen, wenn zumindest in der ersten Untersuchung die Patienten zusätzlich in zwei Gruppen, geschult und nicht geschult, eingeteilt worden wären.

Es besteht Konsens, dass der größte Teil der Asthmatiker bei regelmäßiger Inhalation eines ICS gut stabilisiert werden könnte und für den Notfall nur noch ein SABA benötigen würde. Es besteht national und international ebenso die Überzeugung, dass Asthmatiker häufiger und früher eine Kombination aus ICS + LABA erhalten, als es dem Schweregrad entsprechend empfohlen wird. Hier liegt die Vermutung nahe, dass eine Übertherapie erfolgt. In der Tat machen sich sicher viele Kollegen wenig Gedanken über eine dem aktuellen Schwergrad angepasste Therapie und verordnen bei „allen“ Patienten diese Kombination, die eine Dauertherapie benötigen.

Es gibt aber auch noch andere Gründe für die Verordnung dieser Kombination. Aus der Erfahrung heraus, dass die alleinige Inhalation eines ICS wegen der fehlenden und spürbaren Sofortwirkung mit einer schlechten Adhärenz verbunden ist, kann einer der Gründe für die vorschnelle Verordnung der Kombination sein. Hier spürt der Patient das LABA und erhält das ICS sozusagen gleichzeitig untergeschoben. Bei vielen Patienten kann der Verbrauch unter diesen Voraussetzungen auch nur eine Tagesdosis betragen, weil die enthaltene Dosis des ICS zur Stabilisierung ausreicht. Bei 360 Dosen kann dann Adhärenz vorliegen, wie in einer Untersuchung zur Kostenanalyse [4] bei gleichzeitiger Stabilität bestätigt werden konnte.

Wer die Probleme bei der Inhalation und Verwechslung der Substanzen für die Dauer- und Bedarfstherapie kennt, verordnet vielleicht auch die Kombination, um diesen Problemen vorzubeugen. Bei Verwendung einer Kombination aus ICS + Formoterol kann dann sogar die Verordnung einer Bedarfstherapie unterbleiben, und die Therapie ist einfach, wie es immer gefordert wird!

Nicht zuletzt sollte bei der Interpretation auch an die Asthmatiker gedacht werden, die unter einem periodischen Asthma leiden und dann eben nur eine Therapie für wenige Wochen/Monate benötigen. Auch diese Patienten sind adhärent. Für diese Überprüfung wäre es sinnvoll gewesen, die Zeiten der Verordnungen überprüft zu haben, um erkennen zu können, ob die Verordnung immer zu vergleichbarem Zeitpunkt erfolgt ist.

Überprüft man die Adhärenz anhand von Nachverordnungen [1] in der Praxis, sind einige Auffälligkeiten zu konstatieren. Asthmatiker mit einem leichteren Schweregrad als schwerer Kranke neigten eher als chronische Bronchitiker oder Emphysematiker zum Abbruch oder zur Verweigerung der Behandlung, jüngere Patienten mehr als ältere und Frauen häufiger als Männer. Geschulte Patienten belegten in der Untersuchung eindeutig eine größere Therapiebereitschaft und -treue als ungeschulte.

Zusätzlich zeigte sich noch eine Auffälligkeit. Gelang es nicht, bei der Erstvorstellung einen Kontakt zum Patienten und eine Bindung aufzubauen, ihm das Krankheitsbild zu vermitteln und eine Therapiebereitschaft und vor allem Bereitschaft zur Inhalation eines ICS zu wecken, brachen viele Patienten bereits nach nur einem oder einigen wenigen Kontakten den Kontakt zur Praxis ab. Die Möglichkeit, eine ausführliche Schulung vornehmen zu können, war dann nicht mehr gegeben.

 
  • Literatur

  • 1 Graf von der Schulenburg JM, Greiner W, Molitor S et al. Kosten der Asthmatherapie nach Schweregrad – Eine empirische Untersuchung. Med Klin 1996; 10: 670-676
  • 2 Hausen Th. Chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen. Therapieverhalten von Patienten unter topischer Kortikoidtherapie. Z Allg Med 1994; 70: 333-337
  • 3 Hausen Th. Compliance kortison-behandelter Asthmatiker. Ein Vergleich von Patienten mit chronische obstruktiven Atemwegserkrankungen im Vergleich zu anderen chronischen Krankheiten. Der Allgemeinarzt 1997; 18: 1702-1709
  • 4 Hausen Th. Ein Jahr Asthmatherapie – eine retrospektive Analyse an 57 Patienten aus dem Jahr 1997. Pneumologie 2003; 57: 747-751