Laryngorhinootologie 2014; 93(10): 684-685
DOI: 10.1055/s-0034-1381981
Der interessante Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Odynophagie bei einer Patientin mit Varizella-Zoster-Reaktivierung

Odynophagia in Patient with Varicella Zoster Reactivation
R. Reiter
1   Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie, HNO-Klinik, Universitätsklinikum Ulm
,
T. K. Hoffmann
2   Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Ulm
,
S. Brosch
1   Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie, HNO-Klinik, Universitätsklinikum Ulm
,
A. Pickhard
3   Hals-Nasen-Ohren Klinik und Poliklinik, Technische Universität München
,
M. Reichert
2   Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Ulm
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
10. Oktober 2014 (online)

Fallbericht

Eine 25-jährige Patientin stellte sich mit starken linksseitigen Hals- und Schluckschmerzen, die vor ca. 3 Tagen begannen, im Notdienst in der HNO-Universitätsklinik Ulm vor. Eine orale Nahrungsaufnahme war nicht mehr möglich. Ihr Allgemeinzustand war deutlich reduziert. Seit 3 Tagen erfolgte die Einnahme von Amoxicillin ohne Verbesserung der Beschwerdesymptomatik. Stimmprobleme oder Atemnot bestanden nicht.

Anamnestisch hatte die Patientin eine Varizella-Zoster (VZV)-Infektion in Form von Windpocken in der Kindheit durchgemacht.

Im Rahmen der indirekten Laryngoskopie zeigte sich bei Erstvorstellung eine streng linksseitige supraglottische Laryngitis bzw. Pharyngitis mit unscharf begrenzten Schleimhauterosionen bzw. rupturierten Bläschen mit Fibrinbelägen und hämorrhagischen Randsaum im Bereich der Taschenfalte, am Epiglottisrand, der aryepiglottischen Falte und der Postcricoidregion ([Abb. 1]). Die Stimmlippen waren bds. seitengleich mobil und reizlos. Mikrostroboskopisch ließen sich reguläre Feinschwingungen nachweisen, die die gesamte Länge der Stimmlippen erfassten. Es zeigte sich ein vollständiger Glottisschluss ohne subglottische Schwellung.

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Abb. 1 Indirekte Laryngoskopie vor Therapiebeginn mit dem Virostatikum Aciclovir. Es zeigte sich eine linksseitige supraglottische Laryngitis bzw. Pharyngitis im sensiblen Versorgungsgebiet des N. laryngeus superior mit unscharf begrenzten Schleimhauterosionen bzw. rupturierten Bläschen, Fibrinbelägen und hämorrhagischem Randsaum (Pfeile) im Bereich der Taschenfalte, am Rand der linksseitigen Epiglottis, der aryepiglottischen Falte und der Postcricoidregion. Die Stimmlippen waren bds. seitengleich mobil und reizlos.

Die weitere Untersuchung zeigte keine auffälligen Befunde.

Laborchemisch zeigte sich bei Erstvorstellung ein unauffälliges Entzündungslabor: Die Leukozytenkonzentration (9,4 Giga/l, Norm 4,4–11,3 Giga/l) und das CRP (<0,3 mg/dl, Norm <5,0 mg/dl) waren nicht erhöht.

Serologisch fanden sich bei der Erstvorstellung 3 Tage nach anamnestischem Krankheitsbeginn ein erhöhter VZV-Antikörpertiter (1:60, Norm ≤1:10) in der Komplementbindungreaktion (KBR) als Zeichen für eine frische Reaktivierung und ein erhöhter VZV-IgG-Antikörpertiter (Index>27,00) als Zeichen einer durchgemachten VZV-Infektion. Die VZV-IgM-Antikörper waren zum Untersuchungszeitpunkt unter der Nachweisgrenze (Index 0,73). Ein direkter Virusnachweis aus der Primärläsion am Larynx wurde nicht durchgeführt.

Serologisch konnten eine akute oder ­abgelaufene Herpes simplex Virus ­(HSV)-Infektion als Differenzialdiagnose ­ausgeschlossen werden. Ein möglicher Soorbefall wurde aufgrund des streng einseitigen Befundes und der fehlenden medikamentösen Immunsuppression bzw. der unauffälligen Leukozytenzahl ausgeschlossen, sodass die Diagnose einer Varizellen-Zoster-Laryngitis/Pharyngitis bei Befall des Nervus laryngeus superior linksseitig (Ramus internus) gestellt wurde.

Es erfolgte leitliniengerecht eine virostatische Therapie mit Aciclovir 400 mg 1-1-1 per os für 7 Tage sowie eine Analgesie mit Novalgin 4x 1g i. v. Zur Vermeidung einer bakteriellen Superinfektion wurde die Patientin mit Cefuroxim 1,5 g i. v. 1-1-1 abgedeckt.

Bei der beschwerdefreien Kontrolluntersuchung 2 Tage später zeigten sich bereits eine nahezu vollständige Remission der Effloreszenzen und nur noch eine dezente reaktive Hyperämie im Bereich der Läsionen als Residuum, sodass die Patientin aus der stationären Behandlung wieder entlassen wurde ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Bereits 2 Tage nach virostatischer Therapie mit Aciclovir erkennt man ein sehr gutes Ansprechen in der indirekten Laryngoskopie. Die Erosionen sind nahezu völlig verschwunden, und es verblieb lediglich nur noch ein hämorrhagischer Randsaum.

7 Wochen nach Erstvorstellung erfolgte eine Kontrolluntersuchung. Zu diesem Zeitpunkt gab die Patientin nur noch leichte Schmerzen bzw. Parästhesien beim Schlucken links cervikal an. Ein Analgetikabedarf bestand nicht mehr. Bei der serologischen Kontrolle war der VZV-Antikörpertiter in der Komplementbindungsreaktion leicht abgefallen (1:40), jedoch noch erhöht, genauso wie die VZV-IgG-Antikörper (Index>27,00). Die VZV-Antikörper vom Typ des IgM waren (bereits wieder) unter der Nachweisgrenze. Antikörper gegen HSV waren weiterhin im Serum nicht detektierbar.