Balint Journal 2014; 15(02): I
DOI: 10.1055/s-0034-1382022
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Balint-Journal

Further Information

Publication History

Publication Date:
08 July 2014 (online)

Liebe Leserin, liebe Leser

Zoom Image
E. R. Petzold

Die Wartburg ist ein klassischer Erinnerungsort. Das ist weit mehr als ein Ort des Gedächtnisses. Es ist aktive Teilhabe an Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, es mag aber auch ein Symbol für Anfänge und Übergänge sein. Vielleicht denken Sie an die heilige Elisabeth, die von hier aus sich der Pflege von Kranken widmete, vielleicht an den Junker Jörg alias Martin Luther, der hier das Neue Testament ins Deutsche übersetzte. Seine frühen Empfindungen sind uns kaum überliefert. Unser gegenwärtiges Erleben aber äußern wir immer noch mit der von ihm geprägten Sprache. Die Wartburggespräche, über die in diesem Balint Journal berichtet wird, begannen bald nach der Wende unter der Schirmherrschaft des damaligen Bundesaußenministers Herrn Dietrich Genschers. Unmittelbarer Anlass war die Vereinigung der beiden Teile Deutschlands (1989). Anlass waren aber auch die ersten Begegnungen zwischen den Ärztinnen und Ärzten aus Ost und West und die Gespräche mit Balintarbeit erfahrenen Kollegen aus den Niederlanden, aus der Schweiz, aus der Türkei und aus Israel. Das Thema war das Konzept der Salutogenese damals als ‚Grundrecht für Europa‘ bezeichnet, jenem genialen Konzept von Aaron Antonovsky und Benyamin Maoz. Sie sahen das Konzept der Salutogenese als eine Ergänzung zur Pathogenese an. Nicht die Frage: Was fehlt dem Patienten (oder uns?) stand im Vordergrund, sondern: Was hat es ihm (oder uns?) ermöglicht, weitgehend gesund zu bleiben? Das war die Frage, die Benyamin Maoz bei seiner Promotionsarbeit mit Aaron Antonovsky in Israel „entdeckt“ hatte. Das war die Frage, die Maoz uns immer wieder bei den Wartburggesprächen stellte. 22 Jahre sind wir dieser scheinbar so einfachen Frage nachgegangen.

B. Maoz macht in seinem Beitrag hier deutlich, wie der ‚Aufbau von persönlichen Beziehungen zwischen einem früheren deutschen Juden, der jetzt israelischer Jude ist – und seinen deutschen Freunden und Kollegen‘ gelang. Leid, Scham und Schuld die diesen Beziehungen durch die Ermordung unzähliger Juden innewohnt verleugnet er genauso wenig wie W. Schüffel das ‚Glück in -Parallelwelten‘. Der Initiator der Wartburg Gespräche greift seine Sicht dieser auch für die Balintarbeit so wichtigen Entwicklung auf. St. Mennemeier beschreibt auf höchst originelle Weise seine ‚Erfahrungen der Balintarbeit in einer sphärischen Sitzanordnung‘ an dem Ort des Geschehens, dem ‚blauen Saal‘ in der Hessischen Ärztekammer, in dem viele dieser Wartburggespräche stattgefunden haben; Der Unterzeichnende nimmt diesen aus der Architektur stammenden Gedanken auf und berichtet über das diesjährige Wartburggespräch, das unter dem Motto stand: ‚Gesundheit für alle‘. Das diese Tagung bestimmende Thema:. ‚Pränatales Empfinden und gegenwärtiges Erleben‘ wird in einem dritten ‚Wartburgband‘ publiziert. In einem Bericht von K. Keifenheim, M. Teufel, und dem Unterzeichnende geht es um die Weiterentwicklung der Anamnesegruppen in Tübingen und um die Konsequenzen, die sich für dieses Format aus den Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen Studierenden der Medizin und der Psychologie für die Zukunft ergeben können. Die ‚Reflexionsarbeit‘ von J.S. Braun, einer Studierenden der Medizin verknüpft ‚ersten Schritte (in der Medizin), mit kritischen Reflexionen und persönlichen Konsequenzen‘.

Die Beiträge dieses Balint Journals stehen beispielhaft für Dialoge, die ihre Wurzeln in der Balintarbeit der jüngeren, mittleren und älteren Generation haben. Sie summieren viele unterschiedliche ‚frühe Empfindungen und gegenwärtige Erleben‘. Wie der spielerische Blick in ein Kaleidoskop mag jenes Empfinden und dieses Erleben Ihnen beim Lesen Erinnerungen wecken und Zukunft gelingen lassen. Das jedenfalls

wünscht Ihnen
Ihr
E. R. Petzold