Laryngorhinootologie 2014; 93(09): 639-643
DOI: 10.1055/s-0034-1385870
Op-Techniken
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die endoskopische Untersuchung, anatomische Varianten und besondere Umstände

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. August 2014 (online)

Anatomische Varianten

Das Vorkommen anatomischer Varianten ist gut dokumentiert und es scheint nicht so, dass sie bei Patienten mit nachgewiesener Rhinosinusitis häufiger zu beobachten sind als bei Gesunden. Im Gegensatz zu früher, als sie als anatomische „Abnormitäten“ bezeichnet wurden, werden sie heute eher als normale Varianten angesehen. Sie spielen – wenn überhaupt – beim Auslösen einer Rhinosinusitis oder für deren Aufrechterhaltung nur eine untergeordnete Rolle.

Ihre Bedeutung liegt in erster Linie darin, dass sie den Chirurgen während der Operation irreführen können. Eine Septumdevia­tion wird häufig zusammen mit einer Concha bullosa auf der kontralateralen Seite beobachtet. Diese Befunde treten in der symptomfreien Bevölkerung genauso häufig auf wie bei Patienten mit einer Rhinosinusitis (Havas 1988, Lloyd 1990, 1991, ­Bolger 1991, Jones 1997c).

Agger-nasi-Zellen

Das Vorliegen einer großen, gut pneumatisierten Agger-nasi-Zelle kann endoskopisch vermutet werden, wenn sich die laterale Nasenwand direkt vor dem Ansatz der mittleren Nasenmuschel deutlich vorbuckelt ([Abb. 1]).

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Abb. 1 a, b Endoskopisches Bild und zugehöriges CT einer stark pneumatisierten Agger-nasi-Zelle, die eine Vorwölbung der lateralen Nasenwand vor und am Ansatz der mittleren Muschel bildet.

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Concha bullosa

Eine Concha bullosa imponiert endoskopisch als aufgeblasenes, deutlich verbreitertes vorderes Ende der mittleren Muschel. Man findet sie bei etwa einem Drittel der Normalbevölkerung. Sie verhindert häufig den Zugang zum mittleren Nasengang und in die hinteren Abschnitte der Nasenhöhle ([Abb. 2]). Im CT imponiert sie als eine große Luftblase innerhalb des Muschelkopfes, gelegentlich auch mit einem breiten Abfluss zum mittleren Nasengang hin – einem Muschelsinus entsprechend.

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Abb. 2 a, b Ansicht einer Concha bullosa mit zugehörigem CT.

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Paradox gebogene mittlere Muschel

So wird eine mittlere Muschel bezeichnet mit einer auffallend konkaven medialen Oberfläche, die dem Septum zugewandt ist. Sie tritt bei ca. 11% der Normalbevölkerung auf und ist eine Normvariante ([Abb. 3]). Sie ist häufig dünn und zart und sollte mit einem Freer sanft nach medial mobilisiert werden, um den Zugang zum mittleren Nasengang zu erleichtern.

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Abb. 3 a, b Die rechte mittlere Muschel ist paradox nach medial gebogen.

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Gefurchte mittlere Muschel

Der Grad der Spaltung der mittleren Muschel variiert: von einer flachen Einkerbung auf der medialen Seite bis zu einer tiefen Furche, welche die Muschel fast vollständig teilt ([Abb. 4]). Die Furche wird häufig erst bei der Untersuchung der medialen Muscheloberfläche gesehen und im CT bestätigt ([Abb. 5]).

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Abb. 4 a, b Rechte, vorn gespaltene, gefurchte mittlere Muschel im endoskopischen Bild und im CT.
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Abb. 5 a, b Hintere Spaltenbildung der mittleren Muschel.

Ist die Muschel annähernd zweigeteilt, kann die Orientierung erschwert sein. Es ist wichtig, sie von einem paradox gebogenen, antevertierten Processus uncinatus zu unterscheiden. Dies gelingt, wenn man ihrer medialen Oberfläche folgt und feststellt, ob die Furche ein blindes Ende besitzt oder sich nach oben außer Reichweite weiter fortsetzt.


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Polypöses vorderes Ende der mittleren Muschel

Die Unterscheidung zwischen Polypen des mittleren Nasengangs und einer auf der mittleren Muschel breitbasig fußenden polypösen Schleimhaut kann manchmal schwierig sein ([Abb. 6]).

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Abb. 6 a Polyp im mittleren Nasengang rechts. b Sicht aus nächster Nähe mit dem nun sichtbaren Ansatz am Processus uncinatus.

Die mittlere Muschel ist nicht nur eine nützliche Landmarke. Sie darf auch auf keinen Fall abgerissen werden, da sie an der Schädelbasis inseriert. Palpieren Sie jeden Polypen ganz vorsichtig, um zu erkennen, ob er an der mittleren Muschel ansetzt oder nicht. Polypen an der medialen Oberfläche der mittleren Muschel, die nicht aus dem oberen Nasengang oder aus dem Sphenoid kommen, sollten nicht entfernt werden, da sie wertvolle sensorische olfaktorische Neuronen enthalten können!


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Paradox gebogener Processus uncinatus

Ein echter paradoxer Processus uncinatus biegt auf seiner eigenen Oberfläche von hinten nach vorn um und wird deshalb auch antevertierter Processus uncinatus genannt. Er verleiht dem mittleren Nasengang ein merkwürdiges Aussehen und täuscht damit eine zusätzliche Muschel vor ([Abb. 7]). Die Anteversion bedeutet anatomisch, dass die Stirnhöhle direkt in das Infundibulum ethmoidale drainiert. Dies kann auf dem CT entsprechend herausgearbeitet werden.

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Abb. 7 a, b Paradox nach vorn umgebogener Processus uncinatus (Stern) im Endoskop und im CT.

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Pneumatisierter Processus uncinatus

Er kann wie eine zusätzliche Muschel aussehen und den flüchtigen Chirurgen irreführen ([Abb. 8]). Wird ein pneumatisierter Processus uncinatus mithilfe eines CT diagnostiziert, sollte er aufgeschnitten und mit einer schneidenden Siebbeinzange oder einer rückwärts schneidenden Zange abgetragen werden.

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Abb. 8 a, b Paradox gebogener und pneumatisierter Processus ­uncinatus (Stern) und sein CT-Bild.

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Akzessorische vordere Kieferhöhlenostien

Sie sind leicht zu erkennen mit einer Öffnung im Processus uncinatus ([Abb. 8]). Vermutlich sind sie das Ergebnis rezidivierender akuter Kieferhöhleninfektionen.


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Akzessorische Ostien in der posterioren Fontanelle

Sie finden sich hinter dem Hinterrand des Processus uncinatus zwischen unterer und mittlerer Muschel ([Abb. 9] [10]).

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Abb. 9 a, b Durch rezidivierende Entzündungen der Kieferhöhle ­entstandenes Ostium im Processus uncinatus, zugehöriges CT.
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Abb. 10 a, b Endoskopische und CT-Ansicht eines akzessorischen ­rechten hinteren Kieferhöhlenostiums.

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