Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0034-1386965
Medizinstudenten auf die Begegnung mit behinderten Patienten vorbereiten
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen erhebt diese Rechte erstmals in den Status allgemeiner Menschenrechte. Mit Unterzeichnung der Konvention durch Deutschland im Jahr 2009 werden die Anforderungen der Konvention rechtsverbindlich für die Gestaltung aller Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Das gilt auch für die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderungen. Im Artikel 25 „Gesundheit“ werden speziell die Rechte behinderter Menschen in der gesundheitlichen Versorgung angesprochen und gefordert, den gleichberechtigten Zugang zu geschlechtsspezifischen Gesundheitsdiensten zu gewährleisten sowie eine qualifizierte medizinische, einschließlich sexual- und fortpflanzungsmedizinischen Versorgung bereitzustellen. In der medizinischen Ausbildung findet diese Forderung jedoch kaum eine adäquate Berücksichtigung. Im Beitrag werden zwei Wahlfachangebote in den klinischen Semestern vorgestellt, die seit mehreren Jahren an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig erfolgreich umgesetzt werden. Im ersten Wahlfach steht die Kommunikation mit hörgeschädigten Patienten im Vordergrund. Studierende der Medizin werden mit lebensweltlichen Problemen hörgeschädigter Menschen vertraut gemacht, Hilfsmittel vorgestellt und grundlegende Gebärden der Deutschen Gebärdensprache werden erlernt. Der Kurs wird von einer ertaubten Dozentin geleitet und ermöglicht den Teilnehmern, Verständnis für diese Patientengruppe zu entwickeln und ein einfaches Anamnesegespräch zur Kontaktaufnahme mit dem Patienten zu führen. Der Kurs wird von den Studierenden sehr gut angenommen und Berichte von ehemaligen Kursteilnehmern belegen die berufspraktische Relevanz des Wahlfaches. Das zweite Kursangebot bezieht sich auf das Thema Sexualität, Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft mit Behinderung. In diesen Kurs werden Vertreter der Geburtsmedizin, Eltern mit Behinderungen und Sexualpädagogen einbezogen sowie eigene aktuelle Forschungsergebnisse vorgestellt. Das Ziel des Kurses besteht darin, mit den Studierenden Standpunkte und Kenntnisse zu den Themenbereichen
-
Entwicklung der Sexualität behinderter Jugendlicher
-
Umgang mit Sexualität und Partnerschaft behinderter Menschen
-
medizinische und psychosoziale Betreuung behinderter Schwangerer, behinderter Menschen mit Kinderwunsch und Eltern mit zu erwartendem behinderten Kind
-
Lebenssituation behinderter und chronisch kranker Eltern
-
rechtliche Regelungen zur Unterstützung behinderter und chronisch kranker Eltern und deren Kinder.
Im Ergebnis des Kurses wird ein Blickwechsel der Studierenden auf Menschen mit Behinderungen erreicht und ein ressourcenorientierter Umgang mit dieser Patientengruppe gefördert. Besonders die Einbeziehung von unterschiedlichen Experten und von Eltern mit körperlichen, geistigen oder Sinnesbehinderungen bewirkt einen nachhaltigen Eindruck bei den Studierenden. Der Kurs wird regelmäßig evaluiert. In den Ergebnissen der Evaluation wird ebenfalls die hohe Praxisrelevanz des Angebotes hervorgehoben.
Diskussion: Mit den vorgestellten Lehrangeboten werden zwei Möglichkeiten präsentiert, in Kleingruppen mit den Studierenden Vorurteile und Berührungsängste gegenüber Patienten mit Behinderungen abzubauen und wesentliche Kenntnisse für eine qualifizierte Betreuung dieser Patientengruppe aus sozialmedizinischer Sicht zu vermitteln. Die Angebote werden auch in den kommenden Jahren weiterentwickelt, um auf die Interessen und Voraussetzungen der Studierenden eingehen zu können. Eine breitere Etablierung in die studentische Ausbildung wurde am Kursende immer wieder seitens der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gewünscht.