Pneumologie 2015; 69(05): 295-298
DOI: 10.1055/s-0034-1391843
Historisches Kaleidoskop
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

I. Ueber Tuberculose[*]

Prof. Dr. P. Baumgarten
R. Kropp
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Publication Date:
13 May 2015 (online)

(Vortrag, gehalten in dem Verein für innere Medicin.)

Wenn ich es, einer ehrenvollen Aufforderung Ihres Herrn Präsidenten, Geh. Rath Leyden, nachkommend, wage, Ihnen, hochgeehrte Herren Collegen, einige meiner, auf die Tuberculosefrage bezüglichen Präparate vorzulegen und der Demonstration derselben einige einleitende Bemerkungen vorauszuschicken, so würde ich mich einer Unbescheidenheit schuldig machen, wenn ich die Zeit einer Versammlung wie die Ihrige, damit in Anspruch nehmen wollte, den Inhalt allgemein bekannter Arbeiten auf dem Tuberculosengebiete zu reproduciren. Ich denke mich vielmehr lediglich darauf zu beschränken, eine kurze Zusammenstellung der Resultate meiner eigenen Untersuchungen auf diesem Felde, welche bisher nur theilweise und in zerstreuten kleinen Aufsätzen publicirt worden sind, vor Ihr Forum zu bringen. Ausgehen möchte ich hierbei von meinen Impfversuchen mit Perlsuchtmassen, welche mit absoluter Constanz das Auftreten einer echten Tuberculose bei den geimpften Thieren den Kaninchen, zur Folge gehabt haben. Ein Minimum perlsüchtiger Substanz, gleichviel ob jung und unverkalkt oder alt und verkalkt oder käsig zerflossen, in die vordere Augenkammer von Kaninchen übertragen, genügt nach diesen Versuchen, um mit unfehlbarer Sicherheit zunächst eine Tuberculose der Vordermembranen des Augapfels, sodann eine solche der nächstgelegenen Lymphdrüsen und schliesslich eine generalisirte über die meisten Organe verbreitete Tuberkelbildung hervorzurufen. Weder Villemin noch irgend ein Anderer nach ihm, ist, wie ich wohl kaum zu erwähnen brauche, in der Lage gewesen, über eine derartige Regelmässigkeit und Gleichmässigkeit des Erfolges der Tuberkelimpfung bei Kaninchen zu berichten. Die Producte der Perlsuchtimpftuberculose, ja sogar das Blut der in den letzten Stadien der Erkrankung befindlichen Thiere lösen – vorausgesetzt, dass man die Knötchen zerquetscht oder anschneidet – wenn sie von einer noch so dünnen Schicht normalen Gewebes umgeben sind, sind sie völlig wirkungslos – gleichfalls mit ausnahmsloser Constanz die Erscheinungen einer generalisirten Tuberculose aus, und die Producte dieser letzteren besitzen diese Fähigkeit nicht minder, so dass sich die Erkrankung leicht durch beliebig viele Generationen hindurch mit völlig unverändertem Charakter fortpflanzen lässt. Ebenso constant wie das Auftreten ist der Verlauf dieser Impftuberculose. Mit untrüglicher Sicherheit kann man voraussagen, dass etwa 14 Tage nach der Inoculation die ersten Iristuberkelchen in der bis dahin intacten Iris aufschiessen und dass weitere 14 Tage später die ersten Tuberkelchen in der Lunge sichtbar sein werden. Dazwischen liegt die Erkrankung der Lymphdrüsen; durch rechtzeitige Exstirpation des inficirten Bulbus kann man die Infection der Drüsen und damit die des Gesammtkörpers verhüten. Nicht viel später, oft gleichzeitig, wie die Lungen, erkranken die übrigen Organe, Nieren, Milz, Leber, Knochenmark, seröse Häute u. s. w., in der Lunge ist aber jeder Zeit der Process am extensivsten und intensivsten entwickelt. Bemerkenswerth erscheint, dass dieser Impftuberculose gegenüber Magen- und Darmkanal geradezu immun zu sein scheint; wenigstens fand ich sie nicht ein einziges Mal ergriffen, ein Umstand, der es erklärlich macht, dass die Thiere bis zuletzt ihre Fresslust unvermindert beibehalten. Trotzdem magern die Thiere zusehends bis zu Skeletten ab und verfallen ohne Ausnahme nach 3 bis 4 Monaten dem Tode.

* Erstveröffentlichung des Beitrags in: Dtsch Med Wochenschr 1882; 8: 305 – 307