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DOI: 10.1055/s-0034-1391922
Aktuelle Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland
Current Epidemiology of Tuberculosis in GermanyPublication History
eingereicht22 February 2015
akzeptiert nach Revision13 March 2015
Publication Date:
13 May 2015 (online)
Zusammenfassung
Hintergrund: Neben Malaria und HIV/AIDS zählt die Tuberkulose (TB) zu den weltweit wichtigsten Infektionskrankheiten. Die Tuberkulose stellt auch in Deutschland ein Gesundheitsproblem dar, welches nicht unterschätzt werden sollte und einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf.
Fragestellung: Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland, speziell unter Berücksichtigung der Entwicklung der Resistenzsituation und besonders betroffener Bevölkerungsgruppen.
Material und Methode: Auf Grundlage der Surveillance-Daten, die im Rahmen der allgemeinen Meldepflicht erfasst werden, wird die aktuelle TB-Situation in Deutschland dargestellt. Analysiert werden insbesondere die Resistenzsituation, Herkunft der Erkrankten (Geburtsland und Staatsangehörigkeit) sowie das Ergebnis der Tuberkulosebehandlung.
Ergebnisse: Nachdem sich der kontinuierliche Rückgang der Erkrankungszahlen in Deutschland seit 2009 bereits deutlich verlangsamt hatte, stagnieren die Zahlen mittlerweile ähnlich wie in einigen anderen Industrienationen. Der Anteil von im Ausland geborenen Patienten ist seit 2007 stetig gestiegen und macht über die Hälfte aller in Deutschland registrierten Fälle aus. Besondere Aufmerksamkeit ist auch auf die aktuelle Resistenzsituation zu richten: Mit einem Anteil von 3,4 % ist die multiresistente Tuberkulose (MDR-TB) im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr (2,1 %) signifikant angestiegen und damit höher als in vielen anderen europäischen Niedriginzidenzländern. Besonders hohe Anteile von MDR-TB finden sich bei im Ausland geborenen Patienten, die aus einem der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion stammen. Mit durchschnittlich 79 % liegt Deutschland unter dem von der WHO geforderten Ziel eines 85 %igen Behandlungserfolges.
Stagnierende Fallzahlen in Verbindung mit der aktuellen Resistenzentwicklung signalisieren eindrücklich, dass die Bemühungen um eine effektive Tuberkulosekontrolle in Deutschland nicht nachlassen dürfen und eine auf die besonders betroffenen Gruppen ausgerichtete Strategie notwendig ist.
Abstract
Background: In addition to malaria and HIV/AIDS, tuberculosis (TB) is one of the world's most important infectious diseases. Also in Germany tuberculosis still remains a relevant public health problem that needs special attention.
Objectives: This article provides an overview of the tuberculosis epidemiology in Germany with emphasis on drug resistance and population groups that are predominantly affected.
Methods: Based on surveillance data provided in the notification system, the TB-situation in Germany is presented – particularly with respect to drug resistance, origin of patients (country of birth and nationality) and treatment outcome.
Results: Since 2009, the continuous decline in case numbers has slowed down and is now stagnating as observed in several other industrialized nations. Since 2007, the proportion of foreign-born patients has continuously increased and accounts for over half of all cases registered in Germany. Special attention deserves the current drug resistance situation: With a proportion of 3.4 % in 2013, multidrug-resistant tuberculosis (MDR-TB) has increased significantly compared to the previous year (2.1 %) and the rate is therefore higher than in many other European low-incidence countries. Particularly high levels of MDR-TB were observed among foreign-born patients originating from a former Soviet Union country. On average, treatment success was observed in 79 % of the cases. Thus, Germany does not reach the WHO target of 85 % treatment success.
Stagnating case numbers together with the observed drug resistance trend clearly indicate the need for continued efforts in tuberculosis control in Germany including focused strategies for the most affected population groups.
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Eine umfassende Tuberkulose-Surveillance ist eine wichtige Voraussetzung, um Entwicklungen im epidemiologischen Geschehen frühzeitig und im Kontext ihrer möglichen Einflussfaktoren zu erkennen.
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Nach langjährig kontinuierlichem Rückgang ist in Deutschland mittlerweile ein Plateau mit stagnierenden Fallzahlen erreicht.
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Die Tuberkulose ist daher in Deutschland nach wie vor ein relevantes Gesundheitsproblem und die Bemühungen um eine effektive Tuberkulosekontrolle dürfen nicht nachlassen.
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Besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen, z. B. Menschen aus Hochprävalenzländern oder mit anderen Risikofaktoren, sind bei Präventions-, Überwachungs- und Kontrollstrategien gezielt zu berücksichtigen.
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Eine besondere Herausforderung ist die erfolgreiche Behandlung älterer Patienten und resistenter Tuberkulosen.
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Ärzte werden im Berufsleben kaum noch mit dem Krankheitsbild der Tuberkulose konfrontiert. Daher ist eine ausreichende Berücksichtigung in der Aus- und Weiterbildung wichtig.
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