Urologie Scan 2015; 02(04): 265-278
DOI: 10.1055/s-0034-1393193
Fortbildung
Urologische Infektiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Interstitielle Zystitis/Blasenschmerzsyndrom

Thomas Bschleipfer
,
Winfried Vahlensieck
,
Regula Doggweiler
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Publication Date:
15 December 2015 (online)

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Zusammenfassung

Das Krankheitsbild Interstitielle Zystitis/Blasenschmerzsyndrom (IC/BPS) bezeichnet einen chronischen Beckenschmerz, einen Druck oder ein Missempfinden mit Bezug zur Harnblase, begleitet von zumindest einem Symptom des Harntrakts wie persistierendem Dranggefühl oder erhöhter Miktionsfrequenz. Die Beschwerdesymptomatik muss zumindest für 6 Monate bestehen. Charakteristischerweise variieren die Beschwerden mit dem Füllungszustand der Blase.

Von der IC/BPS können alle Altersstufen betroffen sein, Frauen leiden 9-mal häufiger unter dieser Erkrankung als Männer. Die Dunkelziffer ist hoch, sodass angenommen wird, dass bis zu 6,5 % der Frauen an IC/BPS leiden könnten.

Die Ätiologie ist vielfältig und zumeist nicht verstanden. Neben genetischer Disposition werden Voroperationen und stattgehabte Infektionen diskutiert. Wesentlich tragen Defekte der Glykosaminoglykanschicht (GAG-Schicht) und des Urothels, Mastzellaktivierung, Entzündung und Entzündungsmediatoren zum Entstehen der Erkrankung bei. Auch psychosoziale Aspekte müssen berücksichtigt werden. Ferner steht die IC/BPS in engem Zusammenhang mit funktionell somatischen Syndromen.

Eine Stufendiagnostik, welche eine ausführliche Anamnese mit Miktionstrinktagebuch sowie die körperliche und apparative Untersuchung beinhaltet, soll die IC/BPS näher klassifizieren. Eine Zystoskopie mit Hydrodistensionstest und Biopsie ermöglichen eine Klassifizierung des Krankheitsbilds. Die Durchführung einer Zystomanometrie scheint sinnvoll. Zur Kombination mit dem bislang durchgeführten Kaliumchloridtest als Provokationstest wird nicht mehr geraten.

Neben der Klassifikation der IC/BPS ist ein wichtiges Ziel, verwechselbare Erkrankungen auszuschließen. Hierzu gehören beispielsweise Tumorerkrankungen des unteren Harntrakts, akute oder chronische Entzündungen, Neuropathien, Dysfunktionen der Beckenbodenmuskulatur oder Endometriose.

Therapeutisch besteht die Möglichkeit der konservativen Therapie mit Verhaltensmodifikationen und insbesondere der Vermeidung bestimmter Nahrungsmittel. Zur oralen Therapie zählen Analgetika, Antidepressiva, Immunsuppressiva und Antihistaminika. Ferner wird versucht, mit Pentosanpolysulfat die GAG-Schicht wieder aufzubauen. Letzteres ist auch Ziel der intravesikalen Therapie mit Heparin, Hyaluronsäure, Chondroitinsulfat und Pentosanpolysulfat. Auch DMSO und Lidocain stehen zur intravesikalen Therapie zur Verfügung. Interventionell scheinen die intensivierte Aufnahme intravesikaler Medikamente durch Gleichstrom (electromotive drug administration) und die intravesikale Injektion mit Botulinumtoxin (inkl. Trigonum) erfolgreich zu sein. Hunner-Läsionen sollten transurethral reseziert werden. Auch eine sakrale Neuromodulation kann erwogen werden. Bei persistierender Schmerzsymptomatik ist eine Blasenaugmentation bzw. radikale Zystektomie mit Ileumkonduit zu überlegen. Die Entfernung der Blase stellt jedoch keine Garantie für eine Schmerzfreiheit postoperativ dar.