Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 219(06): 248-249
DOI: 10.1055/s-0034-1398054
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Geburtshilfe
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Hypertensive Störungen – Sofortige Entbindung versus exspektatives Vorgehen

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Publication Date:
07 January 2016 (online)

Hintergrund: Etwa 10 % aller Schwangerschaften sind durch hypertensive Störungen kompliziert, deren einzige kausale Therapie die Geburt des Kindes darstellt. Eine Entbindung in einem sehr frühen Gestationsalter kann jedoch mit einem erhöhten Risiko für neonatale Komplikationen assoziiert sein. Broekhuisen und Kollegen haben untersucht, inwiefern diese Schwangeren und ihre Kinder von einem exspektativen Vorgehen profitieren.

Methoden: In die randomisierte, kontrollierte Studie an 51 Kliniken in den Niederlanden wurden zwischen 2009 und 2013 insgesamt 703 Schwangere mit einer nicht schwergradigen hypertensiven Erkrankung (Gestationshypertonie, Präeklampsie, Verschlechterung eines vorbestehenden Hypertonus, Pfropf-Präeklampsie) im Gestationsalter zwischen 34 + 0 und 36 + 7 SSW eingeschlossen. Bei 352 Schwangeren wurde unmittelbar die vaginale Geburt eingeleitet bzw. eine Sectio caesarea durchgeführt. In den übrigen 351 Fällen erfolgte ein abwartendes Management. Hierbei wurde die Schwangerschaft erst beim Auftreten schwerer hypertensiver Veränderungen oder einer fetalen Stresssituation, spätestens aber mit 37 SSW beendet.

Ergebnisse: In der Gruppe mit exspektativem Management konnte bei 187 Frauen (53 %) die Geburt bis 37 SSW hinausgezögert werden. 127 (36 %) Schwangere wurden vorzeitig entbunden. Der primäre maternale Endpunkt (thromboembolische und pulmonale Komplikationen, HELLP-Syndrom, Eklampsie, vorzeitige Plazentalösung, Tod) trat in der Gruppe mit zeitnaher Entbindung bzw. abwartendem Management in 4 (1,1 %) bzw. 11 (3,1 %) Fällen ein (Risk Ratio [RR] 0,36; 95 %-CI 0,12–1,11; p = 0,067). Das primäre neonatale Outcome, das neonatale Atemnotsyndrom, wurde bei 20 (5,7 %) bzw. 6 (1,7 %) Kindern beobachtet (RR 3,3; 95 %-CI 1,4–8,2; p = 0,005; number needed to arm = 25). Das Risiko für eine Sectio war in beiden Gruppen ähnlich. Maternale oder neonatale Todesfälle wurden nicht verzeichnet.

Fazit

Die Autoren sehen keine Indikation für eine routinemäßige zeitnahe Beendigung einer nicht schwergradig hypertensiv komplizierten Schwangerschaft zwischen 34 und 37 SSW, da die Senkung des ohnehin niedrigen maternalen Risikos mit einer signifikanten Zunahme respiratorischer Störungen des Neugeborenen erkauft werden müsse. Es sei vielmehr gerechtfertigt, in diesen Fällen unter engmaschigem Monitoring des maternalen und fetalen Wohlbefindens eine Prolongation der Schwangerschaft bis zur Verschlechterung der klinischen Situation zu erwägen.

Dr. Judith Lorenz, Künzell